american pie : Schmelzendes Eis unter den Kufen
Auch ein drastischer Gehaltsverzicht der Spieler wird die vom Arbeitskampf gestoppte Saison der Eishockeyliga NHL wohl nicht retten können
Manch einem der momentan in der ganzen Welt verstreuten Eishockeycracks aus der National Hockey League (NHL) wäre letzte Woche vor Schreck fast der Schläger aus der Hand gefallen, als er vom neuesten Vorschlag der Players’ Association (NHLPA) im Arbeitskampf der Liga erfuhr. Um wenigstens einen Teil der Saison zu retten, die eigentlich seit über zwei Monaten laufen sollte, bot die Spielervertretung eine summarische Gehaltskürzung von 24 Prozent mit sofortiger Wirkung an. Bill Guerin von den Dallas Stars, Exekutivmitglied der NHLPA, ging zwar nicht so weit wie Minnesotas Basketballprofi Latrell Sprewell, der kürzlich einen neuen Vertrag über 29 Millionen Dollar mit dem Satz ablehnte, er habe schließlich „eine Familie zu ernähren“, aber der Eishockeyspieler meinte: „Das ist eine Menge Kohle, die da aus der Tasche eines Typen verschwindet.“
Die von den Teambesitzern kontrollierte NHL-Spitze reagierte dennoch kühl auf den Vorschlag, der nach drei Monaten Stillstand immerhin wieder Bewegung in den Arbeitskampf brachte. „Ein Aspekt ist bemerkenswert“, kommentierte NHL-Commissioner Gary Bettman den Vorstoß, „die Gewerkschaft erkennt zum ersten Mal unsere ökonomische Situation an.“ Zuvor hatten die Spieler die von den Klub-Besitzern behauptete Misere stets in Zweifel gezogen. Was das Angebot der NHLPA nicht enthält, ist die von den Arbeitgebern geforderte Verbindung von Gewinnen und Gehältern, die im Wesentlichen auf eine Gehaltsobergrenze, die von den Spielern verabscheute „Salary Cap“, hinausläuft.
Angesichts der reservierten Reaktionen der Teambesitzer verwundert es nicht, dass am Montag ihre Ablehnung des Gewerkschaftsangebots durchsickerte. Der drastische Gehaltsverzicht würde zwar kurzfristig eine notwendige und bemerkenswerte finanzielle Entlastung bringen, wurde NHL-Vizepräsident Bill Daly von einer kanadischen Fernsehstation zitiert, aber er sorge nicht „für die fundamentalen Veränderungen, die notwendig sind, um die Wirtschaftlichkeit der Liga perspektivisch im Gleichgewicht zu halten“.
Aber auch dazu hatten die Spieler in ihrem 236 Seiten dicken Papier Vorschläge, nämlich einen detaillierten Plan zur Aufteilung von Gewinnen und eine Luxussteuer bei Überschreiten einer bestimmten Gehaltssumme in einem Team. Diese soll die Manager hindern, Profis mit Fabelgehältern zu ihrem Team zu locken. Die Einführung einer entsprechenden Steuer hatte zuletzt den Arbeitskampf in der Basketball-Liga NBA beigelegt. Im Eishockey sind die Fronten jedoch verhärtet. „Ich glaube nicht an eine Luxussteuer“, sagt Bettman. „Wenn sie wieder mit der Salary Cap kommen, gibt es keine Saison“, erklärt Daniel Alfredsson von den Ottawa Senators.
Gestern wollte die Liga bei den Verhandlungen einen Gegenvorschlag präsentieren, den ersten seit dem 21. Juli, als sie sechs Angebote vorlegte, von denen aber jedes einzelne die Gehaltsobergrenze enthielt. Sollte die Salary Cap auch jetzt wieder Bestandteil des Papiers der Besitzer sein, wird wohl tatsächlich erstmals in einer nordamerikanischen Profiliga die komplette Saison ausfallen. Einigkeit herrscht darüber, dass der Arbeitskampf, den viele Fans als einen Streit zwischen geldgierigen Klub-Eignern und geldgierigen Spielern begreifen, auf Jahre hinaus einer Liga schaden wird, die ohnehin nicht zu den florierendsten zählt. Wie kürzlich eine Umfrage ergab, haben nur 56 Prozent der US-Bürger überhaupt mitbekommen, dass in der NHL gerade kein Eishockey gespielt wird. MATTI LIESKE