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Archiv-Artikel

Schmelzende Flügel aus Vinyl

In seinem Film „Berlin Calling“ lässt Hannes Stöhr den Berliner Techno-Star Paul Kalkbrenner als polytoxikomanen DJ Ickarus in die Drogen-Psychiatrie abstürzen

Erst scheint der Flug zur Sonne zu klappen, aber dann verbrennen DJ Ickarus doch die Vinyl-Flügel. Der Berliner Regisseur und Drehbuchautor Hannes Stöhr erzählt in seinem Spielfilm „Berlin Calling“ die Geschichte des aufstrebenden Berliner Techno-DJs Hannes – gespielt vom lokalen Techno-Star Paul Kalkbrenner –, der zusammen mit seiner Freundin und Managerin Mathilde durch ein rastloses polytoxikomanes Leben hetzt. Ständig verliert Ickarus den Boden unter den Füßen: im Flugzeug zwischen den Tanzclubs dieser Welt, wenn er auflegt und auf viel zu vielen Drogen.

Die glaubt er zu brauchen, allein schon der Kreativität wegen, auch wenn Mathilde ihn dafür kritisiert. Das nächste Album muss nicht nur fertig, sondern der große Wurf werden. Doch dann stürzt Ickarus nach einem Gig plötzlich ab, wird verwirrt in die Drogennotaufnahme einer Berliner Psychiatrie eingeliefert und beginnt nach einigem Zögern eine Entziehungskur – als seine Ärztin ihm erlaubt, in der offenen Station weiter an seinem Album zu arbeiten. Der verwirrte Gestrauchelte nimmt seine Situation nicht ernst, verlässt bald unerlaubt die Klinik, besorgt sich bei seinem Dealer Erbse Koks und feiert das Wochenende mit einem Groupie. Dass Mathilde unterdessen Trost bei ihrer Ex-Freundin Corinna sucht, macht ihm nichts aus.

Doch dann sagt das Label die neue Platte ab, der Club-Chef verschiebt die Release-Party und Ickarus verliert die Kontrolle. Alle Therapieversuche enden im Fiasko, Ickarus organisiert auf Drogen seine Abschiedsparty, auf der alle Klinikbewohner ausgelassen feiern, bis die Pfleger einschreiten und Ickarus fixieren. Langsam scheint es schließlich mit der Hilfe von Ex-Freundin und Vater wieder in Richtung Sonne zu gehen. Aber dann kommt doch wieder alles anders…

Ab heute ist Stöhrs beeindruckend leicht und schnell gedrehter Film mit dem authentischen Blick in die Berliner Party-Szene einen Monat lang im B-Movie zur besten Party-Vorglüh-Zeit zu sehen. Für angemessene Dezibelzahlen wird gesorgt.ROBERT MATTHIES

ab Do, 4. 12., 22 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5; Sa, 6. 12, 22 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs; weitere Termine: www.b-movie.de