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Archiv-Artikel

Schlossherrn wohnen zur Miete

Studie des Bundes sagt: Schlossbau ist machbar, für 500 bis 800 Millionen Euro. Finanzieren soll das ein Privatinvestor. Die öffentliche Hand will dann leasen. Die Grünen halten das für keine gute Idee

VON UWE RADA

Die Ankündigung der rot-grünen Bundesregierung, den Schlossneubau in Berlin durch ein Privat-Public-Partnership zu finanzieren, ist gestern auf geteilte Zustimmung gestoßen. Danach solle ein Privatinvestor das Schloss für 500 bis 800 Millionen Euro bauen. Anschließend wird die öffentliche Hand 30 Jahre lang je rund 30 Millionen für das Gebäude abzahlen.

Erwartungsgemäß positiv fiel die Reaktion von Wilhelm von Boddien vom Förderverein Berliner Stadtschloss aus. „Ein großer Schritt in die richtige Richtung“, so sein Urteil. Er sei darüber hinaus ein Signal an private Spender gegeben, die den Nachbau der barocken Schlossfassade möglich machen sollen. 80 Millionen Euro kostet dieser Retro-Anteil am Vorhaben, erst 10 Millionen haben Boddien und seine Mitstreiter zusammen.

Ganz anders sehen das die Grünen. Für die Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig ist die öffentlich-private Finanzierung keine gute Idee. „An diesem bedeutsamen Ort sollte der Staat nicht zur Miete beim Kapital wohnen“, sagte Eichstädt-Bohlig, die auch in der Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ saß. Stattdessen müssten der Bund und Berlin in die eigenen Schatullen greifen. Oder aber, so ihre Alternative, „noch einige Jahre Geduld mit der historischen Mitte in Berlin haben“. Ihre Parteikollegin, die Berliner Abgeordnete Claudia Hämmerling, mutmaßte gar, der Bund habe noch gar keine Partner für das geplante Luxushotel und die Tiefgarage. Die Machbarkeitsstudie sei darum ein „ungedeckter Scheck“.

Der mit 70 Prozent hohe Anteil an öffentlicher und kultureller Nutzung dagegen wurde einhellig begrüßt. „Es ist gut, dass sich endlich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass das Humboldt-Forum die richtige Nutzung ist“, sagte Eichstädt-Bohlig mit Blick die Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Uni und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Ähnlich sieht dies auch der Architekt Philipp Oswalt, einer der Initiatoren der Zwischennutzung im Palast der Republik. Er forderte zugleich eine Debatte über neue Museumskonzepte. „Das ist dringend überfällig“, sagte Oswald.

Skepsis herrscht darüber, ob der Neubau des Humboldt-Forums samt Nachbau der Schlossfassade bereits 2007 beginnen kann. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte den Termin gestern ins Spiel gebracht. „Reine Wahlkampfpropaganda“, kommentierte das der Architekturkritiker Bruno Flierl, auch er wie Eichstädt-Bohlig ehemaliges Mitglied der Schlossplatzkomission. Selbst Schlossfan von Boddien glaubt nicht an den sofortigen Baubeginn nach dem Abriss des Palastes. Seine Prognose: „frühestens 2008 oder 2009“.

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