piwik no script img

Schlittschschschschschschsch... Von Claudia Kohlhase

Mein Gott, ist das glatt! Wer hätte das gedacht, obwohl man das ja eigentlich immer gedacht hat. Deswegen hat man's ja auch nie gemacht: dieses haltlose Hampeln, dieses fuchtelnde Zampeln, dieses Kritzen und Kratzen über Spiegeleis, wozu manche Menschen Schlittschuh laufen sagen.

Aber echten Zimperlingern wird schon von weitem kalt ums Herz und schwindelig um die Füße. Man könnte noch hinzufügen, daß Schlittschuhlaufen sowieso was unzulässig Schnittiges anhaftet, das man sich gar nicht anheften, sondern lieber Gott weiß wo hinstecken möchte oder den Genre- und Tellermalern überlassen.

Wenn aber ein Zimperling auf einmal Schlittschuh läuft, dann soll er einem gefälligst leid tun. Denn woher soll ein Zimperling wissen, wohin solange mit den Ohren? Den Armen? Den ganzen Zehen? Ist doch wahr. Jedenfalls kommt einmal der Tag. Da steht man auf Kufen und traut seinen eigenen Füßen nicht. Und unten drunter lacht sich das Eis ins Fäustchen und wischt nochmal über, damit's extra glatt wird. Und drumherum tobt extra schnell das Leben, als wär's keine Berg- und Talfahrt, sondern ein Karussell auf der Autobahn.

Das flitzt und zischt an dir vorbei, als gäb's dich gar nicht oder als wärst du der Randstreifen, was auch stimmt. Aus Trotz löst du dich tapfer von deinem persönlichen Bandenabschnitt und tupfst einen Schritt hinaus ins feindliche Leben.

Aber schwupp kommt eine ganze Volksschule einhergebrettert und zeigt dir, wo dein Platz ist. Und wieder klebst du an der Bande und überlegst eine kleine Weile, warum die Evolution den Menschen eigentlich nicht mit einer Hupe ausgestattet hat, so etwa zwischen Eiszeit und Paläozoikum. Hupen wäre nicht schlecht, weil man dann wenigstens kurz vorher wüßte, daß man gleich nachher überfahren wird. Natürlich kann man zwischen Herumstehen und Überfahrenwerden auch ein Gesicht machen, als wenn man's könnte. Oder sich mental ins Eis hereindenken. Aber da donnern Horden schulpflichtiger Wildsäue millimetergenau an dir vorbei und hauen ihre Schlittschuhe wie Zähne ins Eis, auf daß ein Hagelschauer dir Atem und Sicht verschlägt.

Ist die Sicht wieder frei, wird dir langsam klar, daß hier der gesamte Nebenwiderspruch anschaulich an dir vorbeiläuft: die Mädels hübsch zierlich und im Gänsemarsch oder Ringelreihn, die Jungs hübsch wüst und quer oder gleich ganz entgegenkommend, also von vorn. Ältere Männer erledigen so gradeaus wie möglich ihre schlappen Schleifen und sprechen am Rande gerne das eine oder andere Fräulein an. Ältere Frauen gibt es in der Eishalle keine, sowie keine Röcke, außer bei Zimperlingern ohne eisgekühltes Vorstellungsvermögen. Dafür loben dich aber die älteren Herren, die hier noch nie einen Rock gesehen haben und sich gleich an seine Zipfel hängen möchten. Sonst sprinkelt noch Liedgut von oben herab, und am Ende geht man nach Hause.

Am nächsten Morgen wundert man sich, warum man so lange im Bett liegt. Das kommt daher, weil man vor lauter Muskeln nicht mehr laufen kann. Ja, daß man auf einmal Muskeln hat, wo gar keine sein dürften.

Vermutlich soll der Mensch gar nicht Schlittschuh laufen, sondern lieber Kakao trinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen