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Schlitten, Schnittchen, Büffetschlachten

■ Peepshow in Frankfurt: Die 52. Internationale Automobilausstellung öffnete gestern ihre Pforten / Die Presse wurde schon am Vortag mit Austern und Drinks geködert / Spoiler, Schweller und NATO–Schuß–sicheres Glas für den Mann von Welt

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Italiener haben Stil. Damit der neue Alfa–Romeo 164 auch richtig an den sportlichen Mann gebracht werden kann, stand - neben dem roten, chromblitzenden Objekt der Begierde - eine leibhaftige „Miß Lombardei“ auf der Drehscheibe, im hautengen schwarzen Kleid, versteht sich. Und am originellen Italo– Tresen servierten Ilona–Staller– Imitate Campari–Soda und kleine Leckereien: Die IAA–Peepshow öffnete am Mittwoch ihre Tore, für Journalisten und Händler. Pech für die Standcrew von Citroen, daß ihre biederen Fahrzeuge von den Messeständen der Autohersteller der Superlative eingerahmt werden. Denn wer schaut schon nach französischem Wellblech, wenn nebenan die Jaguars, Rolls Royces und Alfa Romeos blitzen und blinken. Für schlappe 302.000 Mark rollt der Rolls Royce „Silver“ über den Ladentisch. Dafür gibt es den Bentley aus gleichem Hause schon für 195.500 Mark, rot lackiert und mit weißen Ledersitzen. Und der Alfa–“Spider“ - ein zweisitziger Sportwagen - dürfte das richtige Abitur– Geschenk für die begabte Tochter aus gutem Hause sein (Kostenpunkt: 35.000 Mark ohne Extras). Daß jeder Popel einen Opel fährt, ist tatsächlich nur eine böse Redensart. Die Rüsselsheimer, deren Marketing–Spezialisten für ihre „Omega“–Werbekampagne einen Handelskammer–Preis erhalten haben, konnten immerhin mit dem längsten Büffet der IAA aufwarten. Um die bekannten Autos des General–Motors–Konzerns drängte sich dagegen kaum jemand, auch wenn Opel - wie Alfa - mit kessen jungen Damen auf den Kühlerhauben um die Gunst der Fachjournaille warb und das Opel–Flagschiff „Senator“ jetzt als Coupe–Version auf den Markt kommt. Ähnlich bittere Erfahrungen mußten auch die Werbespezialisten von Peugeot–Talbot machen, die zur Freude der Besucher ganze Berge von Austern von der Atlantikküste nach Frankfurt gekarrt hatten. Serviert wurden die Tierchen von Kellnern, die in Flic– Uniformen steckten - und der Champagner floß in Strömen. Von den neuen Modellen hab ich so nichts mitbekommen. Der französische Autoverkäufer, bei dem ich mich nach dem dritten Glas Schampus darüber beschwerte, daß der legendäre 504 mit Lenk radschaltung nicht mehr hergestellt wird, teilte meine Enttäuschung: „Früher wurden halt schönere Autos gebaut.“ Das haben auch die Männer aus dem Ostblock - Frauen sind an den Lada– und Skoda–Ständen nicht zu sehen - längst erkannt. Um die Blicke auf ihre bieder ausgestatteten Stände zu lenken, haben die Tschechoslowaken beispielsweise einen Oldtimer aus dem Jahre 1908 aufgebaut. Der Skoda machte schon damals 130 „Sachen“, auch ohne Test im Windkanal. Und damit die Skodas 87 im goldenen Westen überhaupt verkäuflich sind, gingen die Prager eine Fusion mit dem Auto–Auf motzer Gunsch ein. Der bringt jetzt die unscheinbaren „Staatskarossen“ auf Vordermann. Zu Essen gab es übrigens nichts bei den Ostblock–Teams, und auch der Krim–Sekt blieb in der Kühltruhe. Da waren die Japaner schon spendierfreudiger. Von der Whan–Than–Suppe (Mitsubishi) bis zum fernöstlichen Schlemmerbuffet (Toyota) hatten die Aussteller aus dem Land der aufgehenden Sonne alles aufgeboten, was die Freunde der asiatischen Küche in Entzücken versetzt. Der Hersteller Subaru fällt in seiner Gier nach neuen Absatzmärkten besonders aus der Rolle. Subaru entblödete sich nicht, sein neuestes Modell „Sedan“ zu nennen. Ob dabei die Bezeichnung „GS“ für „Gleichschritt“ steht, war von den immer lächelnden Kimono–Mädchen am Subaru–Stand nicht zu erfahren. Daß Italiener auch weniger Stil haben können, demonstrierte Fiat (Fehler In Allen Teilen). Um von dem Blechkisten–Image der vergangenen Jahre herunterzukommen, präsentierten die Turiner zwar den „Croma–Turbo“, der bleifrei 220 km/h–Spitze hinlegt, doch mit popeligen Mayonnaise– Schnittchen dürften die Auto– Journalisten von heute kaum noch zu beeindrucken sein. Da riß auch der ausgezeichnete Espresso nichts mehr raus. Der Auto– Bild–Mann war schon zu den Weißwürsten am BMW–Stand entfleucht. Denn der absolute Superstar dieser IAA ist ohne Zweifel der neue Zwölf–Zylinder– BMW (siehe auch Kasten auf dieser Seite). Die BMW–Crew macht auf ausnehmend seriös, in Nadelstreifen–Anzügen mit grünen Stecktüchern. Alle Männer sehen selbstverständlich aus wie Edmund Stoiber und die Frauen wie Caroline Reiber. „Neues Denken in Vollendung“ nennen die bayerischen Motorenwerke ihr Programm. Wer sich noch in das Obergeschoß der Halle 9 schleppte, erfuhr, daß Zubehör und Extras das Autofahren ohnehin erst schön machen. Wem der neue Mercedes–Benz immer noch zu bieder ist, der kauft sich bei BBS den „Modulator–Bausatz“ mit Frontspoiler, Heckschürze und Seitenschweller und erhält so eines der gefürchtetsten „Teile“, die auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Auf einen zusätzlich mit Dudatelet–Security–Scheiben ausgestatteten Benz darf auch ruhig einmal geschossen werden, selbst aus nur zehn Meter Entfernung und mit NATO–Munition (!?). Die Dutatelet–Kunden sitzen übrigens in den Präsidenten– und Bankpalästen der ganzen Welt. Nach drei Stunden IAA waren die Schlachten an den diversen Büffets geschlagen und die Taschen mit Hunderten von Prospekten für den Papiercontainer gefüllt. Für zehn Tage wird jetzt in und um Frankfurt der Verkehr zusammenbrechen. Die Unfallzahlen werden - wie im Vorjahr - in die Höhe schnellen und die Politessen rund um die Messe extrem gute Geschäfte machen. Danach wartet hier alles auf die Buchmesse: „The beat goes on!“

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