Schließung der Erzminen im Kongo: Ohne Arbeit kein Frieden
Lavahütten, Staub und Händler, die auf Kundschaft warten - das Marktviertel Birere ist das kämpferische Herz von Goma. Doch seit Schließung der Erzminen schlägt es nicht mehr.
Die Sonne brennt auf den schwarzen Straßen von Birere, dem Marktviertel von Goma. Staub wirbelt zwischen den dichtgedrängten Hütten. Die Verkehrspolizistinnen, die normalerweise am kleinen Kreisverkehr Autofahrer erpressen, stehen gelangweilt herum. Nur selten holpert ein Auto die löchrige Piste entlang, und sogar die Jungs auf ihren Holzrollern, die sonst voll beladen herumgefahren sind, warten still.
Im Hinterhof der Luftfrachtfirma Goma Express hat Serge Magaro nichts zu tun. Der kleine Vorarbeiter im fleckigen grünen T-Shirt zeigt in seinen schummrigen Verschlag auf vier untätige Ladearbeiter. "Eigentlich habe ich acht, aber die anderen sind jetzt arbeitslos." Ein Container mit Impfstoffen für das Kinderhilfswerk Unicef steht da, im Hof wartet ein leerer Lastwagen. "Ich fühle mich in der Krise."
Krise ist im Ostkongo Dauerzustand. Seit 1993 ist in den Kivu-Provinzen Krieg, rund zwei Millionen Menschen sind dauerhaft auf der Flucht vor Armee, Rebellen oder Milizen. Die Landwirtschaft ist größtenteils zusammengebrochen, Geld verdienen die Menschen eher in den Gold-, Zinn- und Coltanminen. Bis zu 1.000 Tonnen Zinnerz (Kassiterit) verlassen normalerweise jeden Monat die Minen von Bisie. Das Erz wird im Stundentakt mit Kleinflugzeugen ausgeflogen, die auf den Resten der Urwaldstraße starten, die früher aus der nahen Stadt Walikale nach Goma führte. Walikale liegt nur 150 Kilometer von Goma entfernt, doch alles geht über den Luftweg: Lebensmittel und Konsumgüter zu den Minen, auf dem Rückweg nach Goma Erze für den Export.
Coltan: Mischung der Erze Tantalum und Niobium, zwei für die Computer-, Rüstungs- und Raumfahrttechnik wichtige seltene Metalle. Der Coltanabbau im Ostkongo nahm während des Krieges 1998-2003 seinen Aufschwung.
Kassiterit: Zinnerz, das in Ostkongo ab etwa 2004 Coltan als lukrativstes Exportprodukt und wichtigsten Devisenbringer verdrängte. Das Zinn wird nach Südost- und Zentralasien geliefert und in der Metallverarbeitung verwendet. Armee und irreguläre Milizen in Nord-Kivu streiten sich seit Jahren um die Zinnminen von Bisie.
Seit dem 11. September sind die Minen von Bisie offiziell geschlossen - dichtgemacht von Kongos Präsident Joseph Kabila, verkündet in einer Rede in einem Luxushotel in Goma. "In Anbetracht der Notwendigkeit, den Schmuggel zu bekämpfen", heißt es in einem neun Tage später nachgereichten Dekret, "sind alle Bergbauaktivitäten in den Provinzen Maniema, Nord-Kivu und Süd-Kivu bis auf Weiteres suspendiert." Die Büros der staatlichen Behörden in den Minengebieten schlossen ihre Türen, die Armee rückte ein.
Jetzt sind die 5.000 Bergleute von Bisie in alle Winde zerstreut, in Goma herrscht Flaute. Wo sonst Waren aus Asien in den gesamten Ostkongo weiterverteilt werden, stehen die Märkte still. Auf den zahlreichen Baustellen immer neuer Protzvillen ruht die Arbeit. Der lokale Unternehmerverband hat vorgerechnet, dass dem Staat ohne Bergbau in Nord-Kivu zwei Millionen Dollar Einnahmen im Monat entgehen - ungefähr so viel wie der gesamte Provinzhaushalt. In den letzten drei Jahren hatte sich der Handel mit Ostkongos Erzen weitgehend saniert, der Schmuggel ging zurück.
Das ist jetzt vorbei, fürchtet Patrick Nkusi von der Handelsfirma Metachem, die auf Ware im Wert von mehreren hunderttausend Dollar sitzengeblieben ist: "Der Schmuggel blüht, während wir Händler unsere legalen Produkte nicht mehr loswerden." Vergeblich fordert er, wenigstens seine bereits verpackten Erze ausführen zu dürfen.
In einem Hotel in Goma sitzen die Mitglieder einer Delegation des internationalen Verbandes der Zinnindustrie ITRI ratlos vor ihrem Buffet. Eigentlich wollten sie über ihr neues freiwilliges Regelwerk zu mehr Transparenz beim Handel mit Ostkongos Erzen informieren. Jetzt erklären die kongolesischen Exporteure ihren verblüfften Kunden aus den USA und Malaysia, dass nichts geht. Ein ITRI-Pilotprojekt zur genauen Erfassung jeder Erzlieferung, das vor wenigen Monaten in der Mine Nyabibwe begonnen wurde, ist eingestellt. "Wir mussten alles abbrechen", ärgert sich die irische Projektverantwortliche Karen Hayes. "Die Regierung sollte wenigstens das Registrieren weiterlaufen lassen und korrekt funktionierende Minen arbeiten lassen."
Goma Express ist das einzige von einst vier Luftfrachtunternehmen, das überhaupt noch zwischen Goma und Walikale fliegt, sagt Vorarbeiter Serge Magaro - und das auch nur noch ein- bis zweimal am Tag statt wie früher viermal. Weil die Maschinen aus Walikale nun leer zurückkommen statt wie einst mit Erzen gefüllt, hat die Firma den Frachtpreis auf einen Dollar pro Kilo verdoppelt. Entsprechend teuer ist alles in Walikale geworden.
In der Transportagentur Tupendano gleich neben Goma Express zeigt der Arbeiter Issa auf sechs Plastiksäcke mit Kleidung und gebrauchten Schuhen, die für Walikale bestimmt sind: "Die liegen seit zwei Wochen hier rum." Normalerweise stapeln sich hier Mehlsäcke, Benzinfässer und Elektronikware bis zur Decke, behauptet er. "Aber es geht schon lange schlecht, und mit den Maßnahmen des Staatschefs wurde es noch schlimmer. Walikale hat die Wirtschaft am Laufen gehalten. Ohne Wirtschaft gibt es kein Leben."
Issa hat neun Kinder, davon sieben schulpflichtig. Sie können nicht mehr zur Schule gehen - am 25. jedes Monats werfen die staatlichen Schulen die Kinder hinaus, deren Eltern die fünf bis zehn Dollar Gebühren pro Monat nicht gezahlt haben, mit denen die Schulen mangels anderer staatlicher Unterstützung die Lehrer bezahlen. "Früher verdiente ich am Tag 5 bis 20 Dollar", sagt der schmächtige Issa. "Heute? Null." Sein Nachbar, ein kräftiger junger Bursche, lacht ihn aus. "Selber schuld, wenn du so viele Kinder hast!"
Das Leben in Birere ist in den besten Zeiten hart. Gomas Geschäftsviertel ist ein Labyrinth aus Holz- und Lavahütten, das bei Regen in schwarzem Matsch versinkt und das in der Trockenzeit von grauem Staub bedeckt ist. Es ist das kämpferische Herz einer geschundenen Millionenstadt. Wenn es in Birere rumort, zittern Helfer und UN-Mitarbeiter in ihren Luxusenklaven am Kivu-See. Kongolesen haben eine täglich erneuerbare Lebenserwartung von 24 Stunden - dieses geflügelte Wort stammt von hier, wo hart zugepackt, ausgeteilt und eingesteckt wird.
Direkt unterhalb der Stelle, wo vor ein paar Jahren ein Passagierflugzeug auf Hütten stürzte, konzentriert sich der Lebensmittelgroßhandel. Hier liegt schwarzes Lavageröll auf der Straße statt feinem Sand, damit die offenen Vorräte an Bohnen, Mais und Reis nicht allzu sehr verstauben. Überall ist das Klacken der Flaschenverkäufer zu hören, die mit dem Schlagen des Flaschenöffners ihre Waren anpreisen, die sie auf dem Kopf in einer Blechschüssel tragen.
Ein kleiner Junge knabbert schüchtern an einer Plastikflasche, während die Leiterinnen der Frauenorganisation Avepad (Verband der Lebensmittelverkäufer für Entwicklung) am liebevoll geschnitzten Holztisch, der ihnen als Büro dient, das tägliche Überleben erklären. Ein 100-Kilo-Sack Maismehl, der 50 Kilometer tief im Landesinneren erworben wird, kostet dort 30 US-Dollar. Der Transport nach Goma kostet 10, der Lastenträger in der Stadt bekommt 2, ergibt 42 Dollar. Dann wird das Mehl nach Ruanda exportiert und für 43 Dollar verkauft. Gewinn: ein Dollar pro 100 Kilo.
Insgesamt stockt das Geschäft, sagt Avepad-Sekretär Jean-Pierre Bikamiso - bei der Bäuerinnenorganisation ist eine Frau Präsidentin und ein Mann ihr Sekretär. "Normalerweise kaufen hier die Großhändler ein, um die Bergwerke zu beliefern. Jetzt wurden die Leute aus den Minen verjagt, also kauft niemand mehr." Das wirkt sich auf die Einkommen der Bäuerinnen aus: Der 100-Kilo-Sack Bohnen, der im August noch 48 US-Dollar kostete, ist jetzt auf 42 gefallen, obwohl er eigentlich auf 55 gestiegen sein sollte.
"Die Leute in Goma selbst kaufen keine 100-Kilo-Säcke, sie kaufen zehn Kilo oder fünf oder nur eins", ärgert sich Mama Koko, die füllige Avepad-Präsidentin im schwarzen Kopftuch mit silbergestickter Jesus-Inschrift. "Ihre Ehemänner in den Minen sind arbeitslos und schicken kein Geld mehr." Ihr Sekretär ergänzt: "Die Staatsdiener werden nicht bezahlt. Die Regierung sollte das Bergbauverbot aufheben, damit das Leben wieder anfängt."
Ohne Wirtschaft kein Frieden, sagt Mama Koko. "Frieden hängt davon ab, dass die Menschen beschäftigt sind. Wenn jemand studiert hat und im Monat nur 50 Dollar verdient und er erfährt, dass sich eine Miliz gebildet hat, wird er sich ihr anschließen", erzählt Mama Koko. Das Leben werde immer schlechter hier, weil es keine Arbeit gibt. "Eine Zeit lang haben Hilfswerke viele Leute eingestellt, aber das ist nicht von Dauer. Man könnte doch die Straßen wieder herrichten, Bauarbeiter einstellen, dann hätten die Menschen Arbeit! Es gibt keinen Frieden ohne Arbeit."
Die Händlerinnen von Goma geben nicht auf. In einem der Avepad-Lagerhäuser, wo die 1.200 Mitglieder des Verbands ihre Ernte einlagern, zeigt Mama Koko die Bohnensorten Nord-Kivus: lauter kleine bunte Kugeln. Die hochwertigen roten oder schwarzen Bohnen gehen ins nahe Ruanda. Die minderwertigen grünen werden in die 2.000 Kilometer entfernte Hauptstadt Kinshasa geliefert. "Die muss man nur zwanzig Minuten kochen, unsere hier brauchen zwei Stunden", erklärt eine Bäuerin - mit einem Seitenhieb auf die ferne Zehn-Millionen-Metropole: "In Kinshasa haben sie ja keine Zeit zum Kochen." Die Frauen brechen in Gelächter aus.
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