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Schlichte Zurückhaltung

■ Sophie Taeuber-Arps Bilder, Skulpturen und Kissen im Lenbachhaus München

Nein, unterschätzt habe man sie nicht, sagt Michel Seuphor in einem Video zur Ausstellung: „Sie war nicht da.“ Seuphor, 1930 einer der Mitbegründer der Künstler- Gruppe „Cercle et Carré“, lernte Sophie Taeuber-Arp 1926 kennen: in Meudon bei Paris, im Atelierhaus von Hans Arp, wo sie Tee serviert habe auf eine ebenso schlichte Art wie der Malerkollege Piet Mondrian. Erst später entdeckt Seuphor im ersten Stock des Hauses verwundert ein zweites Atelier mit Bildern von Sophie Taeuber: „Jahrhundertwerke.“

Das Atelierhaus in Meudon hatte Sophie Taeuber selbst entworfen nach den Gesichtspunkten der Bauhausarchitektur. Eine Raumgestaltung im Sinne der konstruktivistischen Abstraktion war es auch gewesen, die dem Ehepaar Arp zur finanziellen Unabhängigkeit verhalf und die Übersiedlung von Zürich nach Meudon möglich machte: 1926 erhält Sophie Taeuber den Auftrag, die Räume des Restaurants und Tanzcafés „Aubette“ in Straßburg zu dekorieren und auszustatten. Zusammen mit Hans Arp und Theo van Doesburg entwickelt sie ein „Environment“, gestaltet sie Wandmalereien, in denen Bildwirkung und malerische Raumwirkung ineinander übergehen. Seuphor: „Die Sixtinische Kapelle der abstrakten Kunst.“

Abstrakte Malerei war ihr etwas Selbstverständliches von Anfang an. Keine komplizierte Übergangsphase wie etwa bei Wassily Kandinsky. 1916 entstehen die ersten abstrakten Aquarelle und Gouachen, nachdem sie im gleichen Jahr in Zürich Hans Arp kennengelernt hatte. Beide setzen sich demonstrativ gegen die bildnerische Tradition ab, indem sie ihr Frühwerk zum großen Teil vernichten und in den Jahren von 1916 bis 1918 kein Ölbild malen. Es war eine neue Vorstellung von „Bild“: nicht Abbild, auch nicht Abstraktion von einem Gesehenen, sondern eine neue „Wirklichkeit“, als nichts wiedererkennbar, wie es Textilmuster manchmal sind. So macht es Sinn, wenn am Anfang der Werkauswahl, die nach der Stiftung Arp im Bahnhof Rolandseck und der Kunsthalle Tübingen nun im Münchner Lenbachhaus gezeigt wird, zwei Kissen und ein Wandteppich stehen. Während ihrer Ausbildung in St. Gallen, Hamburg und München hatte sich Sophie Taeuber auf Textilien spezialisiert und war von 1916 bis 1929 Lehrerin an der Kunstgewerbeschule in Zürich.

Allein von daher war ihre abstrakte Malerei kein Problem. Handwerk und Kunst scheinen ineinander überzugehen, wenn sie in ihren ersten „vertikal-horizontalen Kompositionen“ von 1916 abstrakte „Muster“ aus farbigen Rechtecken und Quadraten entwirft. Sophie Taeubers „reine“ Bildwelten sind einfach da, mitinspiriert auch von den Material-Experimenten der Zürcher Dada-Bewegung, in deren Folge ihr die Malerei selbst zum Forschungsmaterial wurde: ein Zusammenhang aus reinen optischen Elementen.

Und dann war da auch noch der Tanz. Als Tänzerin trat Sophie Taeuber bei den Dada-Soireen auf, als Schülerin der Laban-Tanzschule hatte sie gelernt, Tanz als kreatives Spiel mit veränderbaren Regeln zu verstehen. Die vom Illusionismus losgelösten Elemente des Bildes treten so ein in ein rhythmisches Spiel der Formen und Farben, in dem auch gegenständliche Motive wie Vögel, Türme oder Gliedmaßen auftauchen können, dessen vertikal-horizontales Grundmuster sich zunehmend dynamisiert zu freien Rhythmen, die die Bildränder in Bewegung bringen, den Blattgrund als Teil der Komposition miteinbeziehen, Räumlichkeit andeuten.

In den sechziger Jahren sollten Künstler auf den Plan treten, die die Sichtbarkeitselemente des Bildes tatsächlich ins Dreidimensionale verlagerten: in neuen Ästhetiken des Raumes und der Situation. Sophie Taeuber-Arp wäre solche Entgrenzung fremd gewesen. Immer fing sie ihre Formexperimente ein im Ausgleich der Komposition, im schwebenden Gleichgewicht eines heiteren Form- und Farbenspiels. Selbst die bewegten Linien und Liniengeflechte, die 1940 nach der Flucht aus Frankreich ihre Bildwelt abrupt verändern, halten sich in einer prekären Balance, ordnen sich 1942 noch einmal zu farbig-grauen „Sommerlinien“, bevor Sophie Taeuber 1943 im Alter von 54 Jahren an einer Kohlendioxidvergiftung stirbt.

Ein typischer Fall von weiblicher Kreativität? Ja und nein. Sie hat über Jahre hinweg durch ihre Lehrtätigkeit die Künstlerexistenz von Hans Arp finanziell erst ermöglicht. Sie hat ihn mit ihren Bildern entscheidend beeinflußt. Doch die Zurückhaltung, ein Selbstbewußtsein, das sich nicht in den Vordergrund drängt, schien ihr Wesen selbst zu sein. Auf den Gruppenfotos, so erzählt Michel Seuphor im Video zur Ausstellung, hätten sich zwei der Künstler immer ganz im Hintergrund gehalten, hätten sich fast schon versteckt: Piet Mondrian und Sophie Taeuber-Arp. Reiner Bader

„Sophie Taeuber-Arp 1889-1943. Bis 13. März im Lenbachhaus München. Katalog 42 DM.

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