Schleswig-Holsteins Veto im Steuerstreit: Carstensen droht weiter
Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Carstensen droht weiterhin, die von der Bundesregierung geplanten Steuernachlässe im Bundesrat zu verhindern.
KIEL taz | Eigentlich lässt sich Peter Harry Carstensen nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Am Wochenende aber lernte die Union den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein anders kennen: "Ihr habt sie nicht alle!", soll er getobt und mit Rücktritt gedroht haben, wenn es keine für Schleswig-Holstein akzeptable Lösung im Streit um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gibt.
Mit dem Wutausbruch vor seinen Parteifreunden schlug sich Carstensen auf die Seite seines Koalitionspartners FDP: In den vergangenen Tagen hatten sich die Nordliberalen gegen das Gesetz stark gemacht und auf die Steuerausfälle hingewiesen, die unter anderem durch den niedrigeren Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen auftreten.
Schleswig-Holstein, eine wichtige Tourismusregion Deutschlands, rechnet mit einem jährlichen Verlust von 70 Millionen Euro für das Land und 60 Millionen Euro für die Kommunen. Angesichts der Überschuldung des Landes, das neben strukturellen Problemen die Milliardenlast der maroden HSH Nordbank stemmen muss, ist der schwarz-gelben Regierung dieses Minus zu hoch - es sei denn, der Bund kompensiert es.
Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag, schlägt eine Neuverteilung der Mehrwertsteuer zwischen Bund und Ländern vor. Auch "Direktinvestitionen" seien denkbar, sagte FDP-Fraktionssprecher Christian Albrecht: "Wir sind für Steuererleichterungen, aber dieses Gesetz ist nicht wachstumsfördernd." Carstensen erklärte: "Das ist ein Geschäft, das ich mir nicht leisten kann."
Die Opposition hat nur Spott für die "Steuershow" übrig: Die Diskussion sei "scheinheilig und verlogen", sagte SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner. Robert Habeck, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sprach von Wahlkampflügen. Inhaltlich deckt die Opposition den Kurs der Landesregierung: "Wenn sie im Bundesrat durchhalten, werden wir sie auch mal loben", sagte Heinz-Werner Jezewski (Die Linke) der taz.
Viele Jahre agierte Schleswig-Holstein auf Bundesebene eher unauffällig - wenn Carstensen bundesweite Schlagzeilen machte, dann eher mit Albernheiten, etwa als er am Tag der Schröder-Vertrauensfrage im Bundestag seinen Bierflaschenklingelton vorführte. Doch die Machtverhältnisse haben sich geändert: Die vier Delegierten, die Schleswig-Holstein in den Bundesrat schickt, entscheiden über die schwarz-gelbe Mehrheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“