Schleichwerbung in deutschen Blogs: Links gegen Geld
Der deutschsprachigen Blogosphäre droht eine Erschütterung. In den nächsten Tagen will Blogger Sascha Pallenberg Details über systematische Schleichwerbung preisgeben.
“Das wird vermutlich die aufsehenerregenste Geschichte der deutschen Blogosphäre dieses Jahr“, sagt Sascha Pallenberg, und er klingt ein bisschen enttäuscht dabei. „Und genau deswegen müssen wir jetzt genau arbeiten. Wir können einfach nicht überhastet die Namen raushauen.“ Pallenberg, der ansonsten über Netbooks schreibt, hat Dokumente zugespielt bekkommen, die nach seinen Angaben den größten Schleichwerbeskandal seit Bestehen der Blogosphäre in Deutschland belegen.
Eine deutsche Internetfirma hatte Unternehmen wie Neckermann, Conrad, HRS oder Base versprochen, sie bei Google weit nach vorne zu bringen. Zu diesem Zweck haben sie bei kleineren Blogs Artikel gekauft, die auf die entsprechenden Seiten verlinken – ohne Kennzeichnung, dass es sich dabei um Werbung handelt. Jehr mehr Links auf eine Seite führen, desto größer ist deren Chance, in Googles Suchmaschine einen guten Platz einzunehmen.
Die Blogger erhielten zwischen 25 und 70 Euro pro Link. „Keyword-Spamming“ nennt Pallenberg das, eine effektive und lukrative Methode. Denn wer bei Google „Teneriffa Reisen“ eingibt, muss in der Regel nicht erst überzeugt werden, ein Produkt zu kaufen: er muss nur noch dorthin geführt werden, wo es das Gewünschte auch gibt. Und da ist eine prominente Googlelistung der beste Weg zum Erfolg.
Gut hundert Blogs sollen sich seit Sommer 2010 beteiligt haben. Dass die Geschichte so lange unaufgedeckt blieb, mag an dem Knebelvertrag liegen, den die Firma den Bloggern aufgezwungen hat und der der taz vorliegt. Bestandteil ist eine Verschwiegenheitsklausel, Vertragsstrafe 5001 Euro. Ein horrender Betrag für die meisten Beteiligten, die sich, so vermutet Pallenberg, mit der Schleichwerbung nur die laufenden Kosten wieder reinholen wollten.
„Die Blogger sind da nur Instrument und Opfer, die nützlichen Idioten“, sagt Pallenberg. Deswegen will er zwar innerhalb der nächsten zehn Tage den Namen der Internetfirma preisgeben, „die Namen der Blogs bleiben aber unter Verschluss.“ Sie seien zur Optimierung der Suchergebnisse missbraucht worden, da müsse man jetzt nicht auch noch auf sie eindreschen. Die meisten hätten zwischen fünfhundert und zweitausend Leser täglich, es gäbe hin und wieder auch ein paar bekanntere Namen. Von den großen Blogs sei aber niemand betroffen, „die wissen ja, wie‘s läuft“, sagt Pallenberg.
Schleichwerbung ist seit Jahren ein Thema in der Blogosphäre: immer wieder versuchen Unternehmen und Agenturen, sich mit Kleckerbeträgen Links auf ihre Seite einzukaufen. “Klar hat man hin und wieder solche Anfragen“, sagt Michael Seemann, der auf mspr0.de bloggt. Er habe aber noch nicht einmal darüber nachgedacht, sowas anzunehmen. „Mein Blog ist mein Ding, meine Spielwiese, und ich bin dafür verantwortlich.“ Es sei auch eine Frage der Reputation: man erarbeite sich über lange Zeit das Vertrauen der Leser, und solche Aktionen seien dazu geeignet, das Vertrauen nachhaltig zu verspielen.
Aber auch Webseiten etablierter Medien wie süddeutsche.de hatten schon Schwierigkeiten, Werbung zu kennzeichnen. Im Bundesverband Verbraucherzentrale gibt es noch niemanden, der sich dezidiert des Themas annimmt: „Das ist ein Feld, auf dem wir noch tätig werden“, sagt Pressereferent Christian Fronczak. „Aber bisher haben wir da mangels Ressourcen noch keine Erhebungen.“
Auf die Frage, warum er schon jetzt mit der Geschichte an die Öffentlichkeit gehe und nicht warte, bis er die Informationen gesichert habe, antwortet Pallenberg: „Klar hat das was von einer Kampagne.“ Wichtiger sei aber der „Schweizer Steuer-CD-Effekt“: es würden sich jetzt fortwährend Betroffene an ihn wenden, die ihn mit noch mehr Details versorgten.
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