Schlegel-Eröffnungsvorlesung in Berlin: Im Bett mit Dostojewski

„Let’s get loud“: Richard-Ford-Übersetzer Frank Heibert hielt seine Antrittsvorlesung zur Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der FU Berlin.

Ein Mann am Rednerpult

Genialer Sprach-Artist: Richard-Ford-Übersetzer Frank Heibert am Dienstag in Berlin Foto: Tobias Bohm

„Da denken Sie, Sie liegen mit Dostojewski im Bett, dabei liegen Sie in Wahrheit mit seinem Übersetzer im Bett, sozusagen mit dem Double“, so zitiert der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant den Übersetzer Frank Heibert. Doch Heibert bringe es mit seinen Übersetzungen fertig, dass man doch mit Dostojewski im Bett liege.

Es ist nicht das einzige Lob, mit dem Jürgen Trabant, emeritierter Professor für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin (FU), seinen ehemaligen Doktoranden bedenkt. Anlass ist die Antrittsvorlesung Frank Heiberts zur August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung in der Salle Boris Vian im Institut français am Kurfürstendamm.

Trabant verweist auf Heiberts deutsche Version von Richard Fords „Frank“, in dem er die kühl-lässige Stimme Frank Bascombes perfekt erfasste. Heibert habe damit seinen eigenen Anspruch, dass es gelte, die Haltung eines Werks zu verstehen und zu transportieren, genial eingelöst.

Jazzer, Autor, Übersetzer

In ihrer Begrüßung stellt die Dekanin des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften, Claudia Olk, eine beeindruckende Liste auf: Heibert übersetzt aus dem Englischen, Portugiesischen, Italienischen und Französischen.

Inzwischen über 70 Romane und 90 Dramen, von Autoren wie Don de Lillo oder Boris Vian. Im Jahr 2006 hat er mit „Kombizangen“ einen eigenen Roman vorgelegt. In einer Jazzcombo singt er auch.

Für Heibert heißt übersetzen „nachschreiben, was der Autor erfunden hat“

Frank Heibert promovierte über das Wortspiel und seine Übersetzung und führte zusammen mit Thomas Brovot den zebra literaturverlag. Brovot, inzwischen Vorsitzender des Deutschen Übersetzerfonds (von dem die Gastprofessur gemeinsam mit der Universität Berlin 2007 ins Leben gerufen wurde), weist in seiner Begrüßung darauf hin, dass Heibert der erste Gastprofessor sei, der zudem ein Auge auf die Sprachwissenschaft habe und zurzeit an einem Buch über das Literaturübersetzen arbeite, was ihn für den Job besonders prädestiniere.

Heibert dankt es ihnen und untermauert diesen Eindruck mit einer wohlstrukturierten Antrittsvorlesung. Unter dem Titel „Let’s get loud“ macht er sich umfassende, erhellende Gedanken über gängige Metaphern für das Literaturübersetzen, die häufig darauf zielten, die Übersetzenden unsichtbar zu machen und ihre interpretatorische Leistung bei zeitgleicher Loyalität zum Original zu ignorieren.

In der visuellen Metapher „Die Übersetzerin betrachtet die Welt mit den Augen der Autorin“ werde die Verschmelzung von Übersetzerin und Autorin als größtmögliche Loyalität bewertet. Heibert bemängelt, dass hier die Augen der Übersetzerin fehlten, also auch ihre dazugehörende Interpretation.

Für ihn heißt übersetzen „nachschreiben, was der Autor erfunden hat, aber mit den Mitteln der eigenen Sprache. Die Übersetzung imitiert nicht nur, sondern produziert, sinnstiftend, etwas Neues. Erst die relative Eigenständigkeit der Übersetzung bildet das Original als Eigenständiges ab.“

Denn „dort, wo das Original in seiner Sprache literarisch originell ist, kann und muss die Übersetzung sich von den gängigen Formulierungen der Zielsprache ebenso entfernen – was aber kein Verfremden ist, sondern ein Bewahren von literarischer Kunst.“

Heibert möchte das Motto „Let’s get loud“ als Aufforderung an Übersetzer verstanden wissen, nicht willfährig hinter dem Original verschwinden zu wollen, sondern durch „geduldige Dienstfertigkeit und selbstbewusste Unbeirrbarkeit“ Literatur zu schaffen, die „neben dem Original stehen, neben ihm bestehen kann“.

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