Schlecker ist pleite: For you. Vor bei.
Stimmt es, dass Schlecker mehr Filialen als dm und Rossmann zusammen hat? 10 schlaue Sätze über die insolvente Drogeriekette mit dem Imageproblem.
1) "Ein Wunder, dass das mit der Pleite so lange gedauert hat. Der Anton Schlecker ist doch so abgezockt, der würde doch sogar versuchen, das Lösegeld runterzuhandeln, wenn seine eigenen Kinder entführt werden." (Das stimmt sogar. Als Weihnachten 1987 seine beide Kinder Meike und Lars gekidnappt wurden, handelte Vater Anton so lange, bis er seine Kinder für 9,6 Millionen Mark Lösegeld zurückbekam – im Vergleich zu den ursprünglich geforderten 18 Millionen ein ziemlich fetter Discount)
2) "Halbleere Regale wie in der Planwirtschaft und Arbeitsbedingungen wie zur blühendsten Zeit des Raubtierkapitalismus - wo soll man denn jetzt mit seinen Kindern hingehen, um ihnen widerstreitende Wirtschaftsmodelle nahezubringen?" (Vielleicht ins Bankenviertel - der Rest ist doch inzwischen eh Peanuts.)
3) "Schlecker war so ungefähr der schlimmste Arbeitgeber Deutschlands." (Zumindest der Schlimmste unter den Drogisten: Fröhlich wurden die Mitarbeiter per Kamera überwacht, Akten über ihre Krankheitsgeschichten geführt, Mütter versucht, rauszukanten, wenn sie auf die dreiste Idee kamen, Teilzeit zu beantragen.)
4) "Wer bei Schlecker arbeitet, steigert das Risiko, Opfer eines Überfalls am Arbeitsplatz zu werden, um 84 Prozent." (Die Prozentzahl ist ausgedacht. Tatsächlich aber legte Schlecker recht wenig Wert auf die Sicherheit seiner Verkäuferinnen – und beschäftigte in vielen Filialen nur eine einzige. Was die Läden natürlich zu einem leichten Ziel für Diebe machte. Zum Beispiel für einen damals 40 Jahre alten Journalisten aus Hamburg, der von 2006 bis 2008 nach eigenen Angaben 54 Schlecker-Filialen in Norddeutschland ausraubte.)
5) "Wer es bei Schlecker schafft, einen Betriebsrat zu gründen, hat ein Bundesverdienstkreuz verdient." (Stimmt zumindest in Bezug auf die baden-württembergische Einzelhandelskauffrau Barbara Cybard, die 1999 den ersten Schlecker-Betriebsrat in ihrem Bezirk gründete.)
6) "Da muss für jeden Computer vor Gericht gezogen werden." (Erst im Januar 2010 entschieden Kieler Richter, dass Schlecker seinem Betriebsrat einen PC zur Verfügung stellen muss – weil eine veraltete elektrische Schreibmaschine beziehungsweise das Verfassen von Rundschreiben an die Belegschaft per Hand nicht selbst Schlecker-Gewerkschaftern nicht zumutbar ist.)
7) "Mit Schlecker verschwindet jetzt auch der letzte Laden, in dem man aushäusig mit Shopping-Kanal-Unsinn akustisch vollgemüllt wurde." (Schön wärs, stimmt aber nicht ganz: Beim Discounter Netto wird weiterhin gern im Kassenbereich auf die Vorzüge von Massagegeräten oder Saugschneidern hingewiesen – und im Baumarkt gehört die Videowerbung für schweres Gerät noch immer zum Standard.)
8) "Schlecker hat übrigens mehr Filialen als dm und Rossmann zusammen." (Klingt unwahrscheinlich, stimmt aber: 2010 betrieb Schlecker rund 9.000 Filialen, Rossmann gerade mal 2.390 und dm 2.400).
9) "For you. Vor Ort." (Klingt auch unwahrscheinlich, ist aber ernsthaft der Werbeclaim, mit dem die Geschwister Lars und Meike Schlecker das angeschlagene Image ihres Erbkonzerns aufbessern wollten. Vom Wortwitz her auf einer Stufe mit der Parfümeriekette Douglas: "Come in and find out"
10) "Apropos Lars Schlecker – das ist übrigens nicht Konstantin Neven DuMont. Auch wenn er so aussieht." (Nein, so weit, dass er sich einen Nachfahren mit dem Kölner Oberverleger Alfred Neven DuMont teilt, ist selbst Anton Schlecker nicht gegangen. Obwohl – vielleicht ist da ja doch bei der Entführung damals 1987 was schiefgelaufen …)
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