: Schlechter Rat für Beirat
Sozialsenatorin Knake-Werner (PDS): Im Integrationsbeirat sollen Vertriebene für Spätaussiedler sprechen. Grüne und Fachleute halten das für absurd. Bedenken kommen selbst aus der PDS
von MARINA MAI
Noch nicht einmal installiert, sorgt der neue Landesintegrationsbeirat schon für heftige Kritik an Sozialsenatorin Heide Knake-Werner (PDS). Den Beirat soll der neue Integrationsbeauftragte Günter Piening berufen, um Fragen der Integration und Migration ressortübergreifend abstimmen zu können. Neben Landesregierung, Bezirken und anderen gesellschaftlichen Gruppen können auch große Zuwanderergruppen Vertreter entsenden. Der Knackpunkt: Laut einer von Knake-Werner erarbeiteten Senatsvorlage soll ausgerechnet der Landesverband der Vertriebenen einen Vertreter der russlanddeutschen Spätaussiedler vorschlagen.
Das stößt selbst in der PDS-Fraktion auf Kritik. „Man sollte das Verfahren überdenken“, meint deren innenpolitische Sprecherin Marion Seelig. Deutlicher wird die Ausländerbeauftragte von Marzahn. „Der Senat hat keine Ahnung von der Realität in unserem Bezirk“, empört sich Elena Marburg (SPD).
Marzahn-Hellersdorf ist mit das größte Ansiedlungsgebiet der Russlanddeutschen – inklusive Familiennangehöriger leben dort fast 25.000. Sie kamen nach 1993 nach Deutschland, sprechen oft schlecht Deutsch und sind durch ihre Herkunftskultur in den GUS-Staaten stark geprägt. Die Vertriebenenverbände hingegen werden dominiert durch Menschen, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg etwa als Sudetendeutsche oder Schlesier einwanderten.
„Die Integrationsarbeit wird hier von den Kirchen und kleinen Vereinen geleistet“, erklärt die Marzahner Pfarrerin Katharina Dang. Ihre Gemeinde organisiert Sprachkurse, soziale Projekte und vertritt die Spätaussiedler gegenüber Bezirksamt und Wohlfahrtsverbänden. „Den Vertriebenenverband habe ich dabei noch nicht kennen gelernt“, sagt die Pfarrerin. Auch Friederike Schulze, Aussiedlerbeauftragte der evangelischen Landeskirche kritisiert: „Das politische und soziale Spektrum der Aussiedler und Spätaussiedler ist breiter als die kleine Gruppe, die die Vertriebenenverbände repräsentieren.“ Schulze sieht allerdings praktische Schwierigkeiten, einen Vertreter der übergroßen Mehrheit zu finden: „Die vielen Spätaussiedler außerhalb der Landsmannschaft sind schlecht organisiert. Anders als in ihr.“
Für die Sozialverwaltung, die die Senatsvorlage ausgearbeitet hatte, ist die Sache daher klar. „Der Landesverband der Vertriebenen ist der offizielle Vertreter der Spätaussiedler. Deshalb steht ihm das Vorschlagsrecht zu“, argumentiert Knake-Werners Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Das hält die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sibyll Klotz, für einen schlechten Witz: „Wieso macht sich eine PDS-Senatorin zum Sprachrohr der Vertriebenenverbände?“ Die Grünen wollen in den anstehenden Haushaltsberatungen die Finanzierung des Landesverbandes der Vertriebenen auf den Prüfstand stellen. „Wir fordern seit Jahren, die Landesmittel für die Integration der Spätaussiedler nicht als institutionelle Gelder an die Vertriebenenverbände, sondern an Projekte zu geben, die Integrationsarbeit leisten“, so Klotz.
Der Integrationsbeauftragte will sich zu dem Vorschlagsrecht nicht äußern. Piening sieht anderen Sprengstoff beim Beirat. Neben den Spätaussiedler sollen sechs relevante Zuwanderergruppen in einem transparenten Verfahren Vertreter entsenden. „Da wird es heftige Konflikte zwischen und innerhalb den verschiedenen Ethnien geben.“