■ Schlagloch: Der Angriff der Werbung auf das übrige Fernsehen Von Friedrich Küppersbusch
Eine Zensur findet nichts. Statt dessen greift das viel elegantere Verfahren der Förderung des Guten: So erkundigten sich die Kassenzahnärztliche Vereinigung und die Bundesärztekammer bei acht freien Filmproduktionen, welche „Kostenvorstellung“ es da gäbe, etwa für einen „unvoreingenommenen“ und „typischen Drei-Minuten-Bericht“. Sechs Firmen „signalisierten Gesprächsbereitschaft“, eine dagegen allerdings, „direkt TV“ aus Berlin, informierte dpa. Ihr nämlich schien „Korruption“ zu sein, was die Ärztelobby als sich „richten nach den journalistischen Gepflogenheiten“ verteidigte.
Da haben sie aber auch recht. Beide. War das Urteil einer Runde von Exvolontären, als die wir uns, anläßlich der Pensionierung unseres seinerzeitigen Ausbildungsredakteurs, letzte Woche wiedersahen. Die fünfzehn Jahre, die seit der segensreichen Obhut des Verabschiedeten vergangen sind, hatten aus einem Rudel Studenten eine durchaus polarisierte Gesprächsrunde gemacht: ein Redaktionsleiter eines kommerziellen TV-Magazins, ein General Manager einer Public-Relations-Agentur, ein freier TV-Produzent – das allein wäre schon eine feine Gesprächsrunde gewesen.
Und zwar etwa zu der Frage, wie es dem WDR gelingt, etwa die Hälfte seiner Auszubildenden dermaßen zu vergraulen, daß auch die freie Wirtschaft was davon hat. Dies übrigens auch ein akutes Stichwort für den Kollegen von der Festangestellten-Guerilla, der IG Medien also. Er gesellte sich uns also zu.
Eröffnet wurde die Debatte mit dem Beispiel eines Autors, der für eine freie Firma nach Spanien reisen durfte. Zwei Drehtage, eigene Dolmetscherin, Team, Schnitt, Reisekosten, Gewinn, Handlungskosten: fünfzehntausend, sagen wir mal, über'n Daumen. Thema: Warum man jetzt auch in Spanien Müll lieber recycle wie bei unserem Grünen Punkt.
Gesehen hat er seinen Dreiminüter – macht also einen Minutenpreis von etwa fünftausend, das ist schon Spielfilmtarif – in einem oder zwei kommerziellen Regionalmagazinen. Die aber zahlen zwischen ein- und zweitausend Mark pro Sendeminute: Ein Minus von einigen tausend Mark, konnte der Autor sich ausrechnen, hatte er also verursacht. Und entsprechend mies prognostizierte er seine Chance, noch mal eingesetzt zu werden von dieser Firma.
Falsch gedacht. Zufrieden war man, und jetzt soll er doch mal was über die deutschen Imker machen. Die seien unzufrieden mit den Honiggläsern und wollten andere Mehrwegverpackungen. Zum Beispiel welche mit dem Grünen Punkt.
Das sei nun aber doch noch kein Verbrechen, Material oder auch sendefertige Beiträge anzubieten, die auf den Punkt – und, wenn zahlungskräftig, auch auf den Grünen – kämen, hält Kollege PR-Manager dagegen. Und für ein seriöses Unternehmen wie das seine sei es nun geradezu überlebenswichtig, immer klarzumachen, daß es sich um Material von interessierter Seite handle. Sonst fühle sich der Kunde getäuscht, und dies belaste die Zusammenarbeit.
Und nicht mal das!, ergänzt der Kollege vom privaten TV-Magazin. Längst gebe es Bildmonopole – ein bekanntes sei etwa die Formel 1, wo jeder Meter Material Höllengeld koste und schon deshalb eine freie Berichterstattung nachweislich unmöglich sei. Was aber keine Sau interessiere. Und erst recht kein Kunde groß übel nehmen dürfe, andernfalls er nächstes Mal auch für Geld keine Bilder mehr bekomme.
Womit der Schwarze Peter vom Lobbyisten über die Agentur über die Filmfirmen über den Autoren bis endlich auf den Schreibtisch des verantwortlichen Redakteurs durchgereicht wäre. Und drollig genug: Jeder in dieser Kaskade könnte mit Fug behaupten, er wisse nicht, was er da tue. Der Lobbyist verteilt Geld, das ist sein Job. Die Agentur regt Medien an, das ist der ihre. Der Autor dreht einen Film, was auch sonst. Der Sender schließlich nimmt aus dem Angebot das billigste beste. Alle hätten dran verdient, keinem ist was nachzuweisen.
Natürlich müßte an dieser Stelle der Kollege Kollege, also der von der Gewerkschaft, kalt lächelnd den sicheren Punkt machen, daß keine Firma geschmiert werden könne, wo es keine gäbe. Daß es jetzt also mal hurtig gälte, die Privatisierung zurückzuholen, die Öffentlich-Rechtlichen so auszustatten, daß sie nie wieder einen preisgünstigen Film ankaufen müßten, und daß dann aber mal die Sonne ohne Unterlaß scheine und so. Also praktisch Sozialismus mit menschlichem Anlitz und voller Bundesligaberichterstattung.
Statt dessen fordert er Betriebsräte in den freien Firmen. Und lächelt leidgeprüft, als die Runde glaubhaft versichert, man habe das als Unternehmer mehrfach angeregt, aber die Belegschaft hätte da einfach keinen Bock drauf. Dann wendet Kollege Kollege sich noch gegen Vollkostenrechnungen, sondern fordert, daß öffentlich-rechtliche Redakteure auch künftig nicht erfahren sollen, was ihre Sendungen tatsächlich kosten. Was dort sicher zu gelassener Heiterkeit beitrüge, wie auch die Forderung, technischen Fortschritt nicht in Stellenabbau münden zu lassen. Sondern zum Beispiel wegrationalisierte Hörfunktechniker künftig in die Redaktionen zu setzen. Daß jeder, der woanders nix mehr zu tun hat, doch als Redakteur arbeiten könne, ist eine für eine Mediengewerkschaft originelle Haltung. „Deshalb bin ich ausgetreten!“ prostet denn auch ein Kollege in unsere Runde, der auf dem Weg zum nächsten Kölsch zugehört hatte.
Tja. Repariert haben wir an diesem Abend die Schmierfilm-Problematik im deutschen Fernsehen nicht. Immerhin zeugte es von einer gewissen Altersweisheit, daß niemand mehr das eine gegen das andere System hochleben lassen wollte. Gerade hatte RTL einen melancholischen Sonntagnachmittag hinter sich gebracht: Der Super-Tourenwagen-Cup, eine Heerschau aller marktüblichen Pkw-Hersteller, untertunnelte stundenlang die Marktanteile des Kölner Senders. Mal achthunderttausend, mal 'ne knappe Million – wo sonst Schumi vor 12, 13 Millionen am Limit fährt. Also müßte das virtuelle Sportereignis, das kaum wen interessiert, längst achtkant aus dem Programm geflogen sein. Wenn die beteiligten Autohersteller sich nicht verpflichtet hätten, gehörig Werbung dem Sender zu geben, der sich das zu senden traut.
Andersherum trommelte just am gleichen Tag FDP-Maskottchen Wolfgang Gerhardt, er sei jetzt aber mal empört, daß die „wichtigste parlamentarische Debatte der Nachkriegszeit“ nur von dem Sender Phönix und nicht von der ARD übertragen werde. Wichtig war die Debatte erkennbar auch deshalb, weil die Liberalen kurz vor der Wahl in Sachsen-Anhalt den diesbezüglichen Matador- Genscher zum letzten Mal reden ließen.
Wer bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Das war, unausgesprochen, klar. Um über die gute alte Zeit zu reden, als wir Volontäre waren, wollen wir uns im Sommer noch mal verabreden. Kann aber natürlich auch wieder Terminprobleme geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen