: Schlaflose Nächte
betr.: „Schuld und Verbrechen“ (Wehrmachtausstellung), taz vom 17. 8. 00
Peter Steinbach verdeutlicht die eigentliche Tragödie: Es ist wirklich nicht zu fassen, dass fünf Fotos unter der Bezeichnung „Ort unbekannt“, fünf von zirka 1.400, einen solchen „Aufstand“ provozieren.
Dass zu korrigieren ist, was man korrigieren kann, ist so selbstverständlich, dass es banal ist, darüber große Ausführungen zu machen.
Als ich gestern zum Thema den Mendelsohn-Film sah und am Ende den Film im Film, in dem Ukrainer im Beisein von Wehrmachtssoldaten jüdische Menschen mit langen Knüppeln totschlagen, wurde nicht nur macher „Beweiswahn“ relativiert, sondern mich ließen diese Bilder wieder mal nicht schlafen. Was müssen die, die mit dergleichen Materialien über Monate gearbeitet haben, für schlaflose Nächte gehabt haben? Wer sich mit den kollektiven verleugneten und verdrängten Erfahrungsanteilen von Menschen, also den gesellschaftlichen Tabuzonen auseinandersetzt und sich konfrontiert, kann nicht nur innerlich wachsen daran, sondern auch verzweifeln, über die mächtigen Resistenzen: die unbewussten Ängste, die von jeher Mehrheiten in einer Gesellschaft suchen, um der Lebendigkeit im Leben keine Chance zu geben! [...]
Ich finde wie Steinbach, dass die konstruktive Initiative, wie zum Beispiel die Ausstellung, verteidigt werden muss, da sie zu der gesellschaftlichen Überlebensstrategie gehört, die unserer Gesellschaft helfen kann, zu gesunden.
K. LUCIE EBERSTEIN, Hamburg
Eine kleine, wichtige Ergänzung: Es war ein zentrales Legitimationsproblem der Wehrmachtausstellungsmacher, dass sie nicht nur die (rechte) Sinnstiftung durch Geschichte („Die Wehrmacht war sauber“) zerstören, sondern zugleich eine (linke) Sinnstiftung durch Geschichte (à la „Soldaten sind Mörder“) betreiben wollten. Sinnstiftung durch Geschichte ist legitim. Aber sie wird problematisch, wenn die vertretene These allzu schlicht (und damit leicht angreifbar) ist, und wenn diejenigen, die sie vertreten, allzu selbstgerecht daherkommen und sich auch gegen berechtigte Kritik abschotten! CHRISTIAN JANSEN, Bochum
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