Schirm & Chiffre: Anteilsweise frankophones Liedgut
■ Medien in Berlin – Von der Äther-Verschmuddelung und Frequenzverschiebungen
Im Berliner Radio geht's gerne mal ein bißchen dreckig zu. Wie man unlängst überall vernehmen konnte, tobt im „härtesten Hörfunkmarkt Deutschlands“ momentan ein regelrechter „Krieg“. Mit peng, peng! vorneweg sind natürlich die privaten Stationen: 104,6 RTL („Tasche voll Asche“) verbrät den klingenden Namen der nichtsahnenden Unicef für eine dubiose Werbeaktion. Der „Sticker-Picker“-Sender r.s.2 läßt Schauspielstudenten für einen Hunni das „Ich habe gewechselt!“-Sprüchlein ins Mikrophon soufflieren.
Doch das sind Peanuts, die dicken Nüsse hängen höher in der Palme. Marktanteile gibt es nicht umsonst, und sie wollen belegt sein. Für die HörerInnen-Sondierung blättern die führenden Sender schon mal eine Million auf die Theke der Marktforschungsinstitute. Immerhin gibt es in Berlin über 30 Stationen. Da geht es hart auf hart...
Pionierarbeit bei der Äther- Verschmuddelung leistet nach wie vor der Filz-Sender Hundert,6, für den Chef-Fickfrosch Georg Gafron unlängst flächendeckend Schamhügel kleben ließ. 50 Jahre nach Kriegsende kollaboriert der Hundert,6-Buschtrommler jetzt mit den Amis und macht seit knapp drei Wochen auf dem alten Sendeplatz von AFN „Radio Charlie“. Zusammen mit dem US-Regierungssender Voice of America sorgt Gafron nun nach dem Abzug für die „deutsch-amerikanische Verständigung“ (so die Medienanstalt bei der Begründung der Lizenzierung). Das Resultat ist eine entsprechend seltsame Symbiose aus Bruce Springsteen, den genuinen Hundert,6-Chauvinismen und amerikanischem Staatsradio.
Auch bei den anderen Alliierten gibt es Neues. Vor geraumer Zeit lud eine Delegation ins Maison de France, um bei deutsch- französischer Getränkeauswahl (Hohes C und Perrier) den Frequenzumzug von Radio France International (RFI) zu verkünden. Der französische Auslandssender wechselt ab Mitte Juli von der UKW-Frequenz 93,6 auf 106.
Dazu un petit Exkurs in die Geschichte: Nach der Befreiung Frankreichs nahm RFI im Januar 1945 seinen Sendebetrieb wieder auf. Goebbels' Endsieg-Geschnarre hielt der deutsche Dienst umgetextete Schlagermelodien entgegen: „Und die jungen Kinder / ruft man jetzt herbei / denn dem Menschenschinder / ist alles einerlei / ob alt, ob jung – ihm ist's egal / er braucht das Menschenmaterial...“ (nach „Lili Marleen“).
Heute bietet RFI vorzugsweise „frankophones Liedgut“ (Pressemappe). Wie in Frankreich üblich wird der Anteil per Quote festgeschrieben. 70 Prozent französisches Liedgut, 20 Prozent „wöörldmüsig“ und 10 Prozent angelsächsische Songs. Na bitte.
Da mein Französisch auf den binären Grundwortschatz („huä“ und „no“, beides allerdings akzentfrei) beschränkt ist, kann ich hier nicht viel mehr über das RFI- Programm sagen, als daß es von sehr eleganter Klangfarbe ist. Zwischen 18 und 19 Uhr kommt RFI unfrankophonen Frankophilen dann entgegen: auf deutsch. Alles sehr informativ. Der Nachrichtensprecher sächselt. Jetzt fragt sich eigentlich nur noch, was die BBC (90,2) vorhat. Ich glaube, die Briten bleiben, wo sie sind. Gut so. Martin Muser
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