: Scheuklappen
■ betr.: "Stühlerücken an Deck der Titanic" von Katrin Schröder, taz vom 21.11.90
betr.: „Stühlerücken an Deck der Titanic“ von Katrin Schröder,
taz vom 21.11.90 (Wirtschaft)
Es ist im Augenblick im Zuge der allgemeinen Industrie-, Fortschritts-, Technik-, Wissenschafts- etc.-Kritik, im Zuge des Untergangs des re
alexistierenden Sozialismus, von dem die Linke ja „schon immer wußte, daß es keiner war, und im Zuge der Feier alles dessen, was „lebensweltlich“, „sinnlich“ und „kreativ“ ist, eine Mode, „real existierende“ Marxisten zu belächeln und ihnen nicht mehr als nur Exegese zuzutrauen. Wer allerdings die „Marxisten“ Peter Fleissner, Helmut Brentel und mich, die sich auf der IÖW-Tagung „Die ökologische Herausforderung für die ökonomische Theorie“ zum Thema „What to do with Marx“ meldeten, auf diese Weise ad acta legt, hat die Scheuklappen, deren sie die „Marxisten“ bezichtigt, selbst vor Augen.
Ich teile Fleissners Theorie nicht, aber man kann jemanden der Leistungen zur Reparatur der Natur als Dienstleistungen mittels Computerprogrammen berechnet, nun wirklich nicht als Exegeten bezeichnen. Wenn Brentel dem entgegenhält, daß der Wertbegriff falsch angewendet wird, dann mag sich das nach Exegese anhören, aber nur für die, die nicht wahrhaben will, daß man solche Fragen klären muß, wenn man die Marxsche Theorie auf die Naturkrise anwenden will.
Wenn meine Wenigkeit dann sagt, daß das, was von der Hälfte der Grün-Alternativen, die sich nicht schon längst der „bürgerlichen“ Theorie der Neoklassik anvertraut hat, gefordert wird, nämlich die „Natur“ nicht zu bepreisen, sondern „stofflich“ ins ökonomische Kalkül aufzunehmen, da Bepreisung zur weiteren Zerstörung führt, illusionär, weltfremd und naiv ist, weil der so oft „utopisch“ gewünschte „Paradigmenwechsel“ der Gesellschaft sich solcherart vollzieht, daß die Natur zur Ware wird (so wie die Arbeit), weil's dem „Kapital“ so paßt, auch wenn's den Grün-Alternativen nicht gefällt, dann könnte einer das Licht aufgehen, daß man moderne Ausbeutungsverhältnisse mit der Marxschen Theorie beziehungsweise Methode erklären kann — es sei denn, man überliefert sich dem journalistischen Metier in der Weise, nur noch zu denken, wie's dem Leser gefällt.
Ich habe nix dagegen, wenn man mir widerspricht, aber ich habe was dagegen, wenn man aufgrund einer Mode verdummt. Stefanie Schultz, Berlin
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