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Archiv-Artikel

Scherf soll Zivilcourage beweisen

Betr.: „Das vorgelesene Referat“, taz bremen vom 15.1.2003

Nicht viele Menschen hatten während der Nazizeit wie Elser den ungeheuren Mut, ihre Widerstandshaltung in praktisches Handeln umzusetzen und sogar ein Attentat gegen Hitler zu verüben. Die vielen KommunistInnen und linken Sozialdemokraten, die nach der Machtergreifung im Untergrund ihre antifaschistische Arbeit fortsetzten und dies oft mit dem Leben bezahlen mussten, haben ebenfalls das ihnen bisher vorenthaltene Recht auf Befreiung aus der Stigmatisierung durch die Nationalsozialisten. Sie haben ein Recht auf Wiederherstellung ihrer Ehre und Menschenwürde und auf politische und moralische Rehabilitation. Ihres Widerstandes zu gedenken fand nie statt, denn es hat zu keiner Zeit in die politische Landschaft dieser Republik gepasst. Zumindest ist es sehr zu begrüßen, dass in unserer Stadt eine Gedenkwoche anlässlich des 100. Geburtstages von Johann Georg Elser stattfindet.

„An ihn zu denken hat nur dann Sinn, wenn aus seinem Handeln Lehren gezogen werden“, schrieb dieser Tage ein Bremer Journalist. Der Satz sei gerade auch dem hanseatischen Bürgermeister Henning Scherf ins Stammbuch geschrieben, der bekanntlich anstelle von Jutta Limbach die Gedenkwoche im Rathaus eröffnet hat. Einst gab er sich pazifistisch und nahm selbst an Antikriegs-Demonstrationen teil, vergaß dann aber scheinbar alles, und heute fördert er wie selbstverständlich die Bremer Rüstungsbetriebe. Elser bekundete damals, dass er den Zweiten Weltkrieg habe verhindern wollen. Die Bremer Sozialdemokraten sind mehrheitlich gegen den drohenden Krieg im Irak und gegen eine deutsche Beteiligung daran. Scherf könnte Lernbereitschaft und Zivilcourage beweisen, indem er die Geisteshaltung Elsers aufrichtig verinnerlicht, sich die Meinung der Parteimehrheit zueigen macht und daraus die einzig richtigen Konsequenzen zieht.

Wieland von Hodenberg