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Archiv-Artikel

werteunterricht Scheinheilige Debatte

Es war eine entgeisterte Front aus Konservativen, Bildungsbürgern, ehedem alternativen Feuilletonisten und einer wahlkämpfenden Bundes-SPD, die da vor einer Neuauflage der Ideologien, vulgo der DDR warnte. Die Berliner Morgenpost titelte: „Dem Morgenrot entgegen“, der Tagesspiegel und die FAZ argwöhnten den Untergang des Abendlandes, während die Berliner SPD und PDS tapfer versuchten, die Welt zu verstehen.

Kommentar von UWE RADA

Namentliche Volksfront, von der hier die Rede ist, formierte sich nicht gegen die Einführung eines Werteunterrichts, sondern gegen die Ablösung des Diepgen-Senats durch eine rot-rote Koalition im Jahre 2001. Plötzlich waren sie wieder da gewesen, die Westberliner Frontstadtkämpfer. Allein: Es hat ihnen nichts genutzt. Die politische Kultur war längst weiter als die Denkungsart ihrer Verteidiger. Das Abendland ist nicht untergegangen, merkte später sogar der Spiegel an, nicht einmal Hamsterkäufe habe es gegeben. Und Rot-Rot regiert noch immer.

Dass sich die Frontstadtkämpfer nun – im Namen der Religion – erneut in die Schlacht werfen, verwundert nicht. Wieder einmal geht es um ein Thema, das, emotional aufgeladen, den Stoff gibt, aus dem Wahl- und auch andere Kämpfe gemacht sind. Ein Stück weiter ist aber auch die politische Kultur. Zwei Drittel der Berliner sind für Werteunterricht als Pflichtfach.

Wird die Scheinheiligkeit also erneut enden wie das Hornberger Schießen? Die Antwort liegt bei der Landes-SPD. Bleibt sie gelassen wie 2001, wird in Jahresfrist keiner mehr vom Werteunterricht reden. Er ist dann einfach da. Zeigt sie allerdings Nerven, wird keiner mehr über die SPD reden. Dann ist sie wieder, was sie längst überwunden glaubte: die größte Selbsterfahrungsgruppe der Stadt.