KOMMENTAR: Scheideweg
■ Die Grünen vor der letzten Gretchenfrage
Der Riesenrums, mit dem der realexistierende Sozialismus zusammengekracht ist, hat die Grünen überraschend und offen vor eine Alternative gestellt, die sich –jahrelang nur mühsam kaschiert – durch ihre über zehnjährige Geschichte zieht. Wie halten es die Grünen endgültig mit dem Sozialismus, jetzt, wo er für die nächsten 100 Jahre so gründlich blamiert ist, höchst fragwürdig ist, ob sie nach 100 Jahren überhaupt noch jemand für ihn interessiert.
Es wäre das Ende – und das höchst wünschenswerte Ende – der Grünen, wenn die ideologischen Trümmerhaufen des Sozialimus jetzt unter dem Wendemantel „Ökologie“ Unterschlupf fänden. Was sich mit dem Wechsel von der SED zur PDS vollzogen hat, ist keine politischer Aufbruch der Linken in der DDR sondern die Rettung der eignen Haut von – im schlimmsten Fall einem Haufen Stalinisten, im besten Fall einem Heer von Opportunisten und Karrieristen. Ihre (unfreiwilligen?) Rehabiltation, die Ehrenrettung von Menschenverachtung unter dem Etikett der Naturachtung, ließe nur noch jene demokratischen Verhaltensmöglichkeiten zu, die bislang Rechten vorbehalten waren: Widerstand und erklärende Psychopathologie.
Klaus Schloesser
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