: Scharon feilt an einer neuen Koalition
Israels Premierminister will die oppositionelle Arbeitspartei und die Ultraorthodoxen an der Regierung beteiligen. Dem muss der Likud-Zentralrat zustimmen. Peres könnte ein neues Ministerium für den Abzug aus dem Gaza-Streifen übernehmen
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Der israelische Premierminister Ariel Scharon lässt sich seine Sorgen nicht anmerken. Einen Tag nachdem seine Koalition auf die 40 Mandate der eigenen Likud-Partei zusammengeschrumpft ist, scherzt er im Rahmen der jährlichen Konferenz mit israelischen Redakteuren über die beruflichen Perspektiven von Oppositionsführer Schimon Peres. Der habe ja schon einige Posten ausgeübt, meint Scharon. „Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Amt des Premierministers ist besetzt.“ Nach der Kündigung der liberalen Schinui, die am Mittwochabend den von der Regierung vorgelegten Haushaltsplan für das kommende Jahr ablehnte, wünscht sich Scharon die Arbeitspartei zusammen mit den Ultraorthodoxen in seinem Kabinett.
Ginge es nach der Arbeitspartei, dann könnten die Koalitionsverhandlungen schnell über die Bühne gehen. Schließlich hatte man sich im vergangenen Sommer schon über die wesentlichen Punkte geeinigt. Das Zusammengehen scheiterte damals am Zentralrat des Likud, der eine große Koalition mehrheitlich ablehnte. Das höchste Parteigremium ist aufgefordert, angesichts der veränderten Koalitionskonstellation den Beitritt der Arbeitspartei erneut zu beraten. Der kürzlich gewählte Zentralrats-Vorsitzende Zachi Hanagbi vermutet, dass diesmal eine Mehrheit dafür stimmt. Scharon blieben bei Widerstand gegen eine große Koalition nur noch Neuwahlen, will er sich nicht über die Parteientscheidung hinwegsetzen.
Auch die Arbeitspartei müsste ihren Zentralrat zu einem Eintritt in die Regierung Scharons einberufen. Die Partei tritt ohnehin Mitte Dezember zusammen, um über einen Termin für die Kandidatenaufstellung zu entscheiden. Bis dahin dürfte geklärt sein, welche Posten der Arbeitspartei zugesprochen werden. Die wichtigsten Ämter, also Finanz-, Außen- und Sicherheitspolitik, sind in festen Händen. Im Gespräch ist deshalb derzeit die Errichtung eines neuen Ministeriums für den Abzug aus dem Gaza-Streifen, das Peres übernehmen könnte.
Umfragen der auflagenstärksten Tageszeitung Jediot Achronot zufolge hat Peres unter den Sozialisten eine klare Mehrheit hinter sich. 40 Prozent der Wähler seiner Partei möchten ihn als Vorsitzenden behalten. Demgegenüber stimmten nur 19 Prozent der Befragten für den ehemaligen Premierminister Ehud Barak.
Die beiden Kontrahenten stehen derzeit für die zwei Lager in der Partei, für und wider große Koalition oder Neuwahlen. Barak versucht, sowohl die interne Kandidatenaufstellung als auch Neuwahlen voranzutreiben. Die Führungsriege hofft hingegen auf einen Koalitionseintritt und Wahlen nicht vor 2006. Bis dahin wäre der Abzug aus dem Gaza-Streifen umgesetzt. Neuwahlen, meint Peres, würden nur den Prozess verzögern.
Zudem würden die Sozialisten Umfragen zufolge mit 23 Mandaten den Umfragen gegenüber den derzeit 22 Sitzen kaum dazugewinnen. „Solange Scharon unsere Politik vorantreibt, gibt es keinen Grund, ihn abzusetzen“, fasste der Abgeordnete Chaim Ramon zusammen, einer der schärfsten Gegner Baraks. Allerdings ist der Haushaltsplan für die Arbeitspartei problematisch. Vermutlich wird sich Scharon auf Änderungen vor allem im Bereich der Sozialversorgung für Rentner und Alleinerziehende einlassen.
„Wir dürfen uns nichts vormachen“, meinte Amram Mitzna, ehemals Spitzenkandidat der Arbeitspartei. „Wir haben in der Opposition sowieso kaum Einfluss auf den Haushalt.“ Deshalb sei es sinnvoll, die Energie auf den Abzugsplan zu konzentrieren, der langfristig auch die israelische Wirtschaft wieder ankurbeln werde. Mitzna war vor zwei Jahren mit dem einseitigen Gaza-Abzugsplan in den Wahlkampf gegangen und verschaffte der Partei die größte Niederlage in ihrer Geschichte.