: Scham gegenüber Arabern
betr.: „Bekenntnis zur Scham“, taz vom 11. 5. 04
Die wie professionelle Insektenvernichtung angelegte und durchgeführte Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten hat mir als Deutschem ein solches Schamgefühl aufgezwungen, dass ich jedes Mal zutiefst unsicher reagiere, wenn ich, zum Beispiel in Prag, in Wien, in Budapest oder in der Essener Synagoge, Menschen jüdischen Glaubens begegne.
Seit neuestem empfinde ich dasselbe Schamgefühl, wenn ich in meiner Stammkneipe Menschen einer arabischen Sprache begegne, Menschen aus dem Maghreb und aus dem östlichen arabischen Raum. Oder etwa meinem Brieffreund in Tunesien. Ich wage es gar nicht mehr, mit ihnen über die mangelnde Demokratie in ihren Ländern zu diskutieren, die Benachteiligung der Frauen, den im südöstlichen arabischsprachigen Raum blühenden Sklavenhandel, über den Völkermord im Sudan.
Rumsfeld hat, als Repräsentant vorgeblich demokratischer, auf der Achtung der Menschenrechte beruhender Gesellschaften, auch mich ganz persönlich durch seine Duldung und wahrscheinlich Förderung der menschenrechtswidrigen Foltereien in die Reihe der Verbrecher gestellt: Was willst du uns erzählen, sagen meine Freunde, du bist doch einer von denen, die unsere Glaubensbrüder zutiefst erniedrigt oder das zumindest durch Stillschweigen geduldet haben.
Es ist Zeit, dass Joschka Fischer und Gerhard Schröder sich scharf von diesen Vorgängen distanzieren – und öffentlich wenigstens den Rücktritt von Donald Rumsfeld fordern. Erst dann könnte ich meinen arabische Sprachen sprechenden Freunden wieder in die Augen sehen. GOTTHARD SCHMIDT, Moers
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