Schallschutz Schönefeld: Drinnen Wanduhr, draußen Schall
Anwohner des neuen Flughafens Schönefeld sind unzufrieden mit den Schallschutzmaßnahmen. Ein Besuch in Bohnsdorf, nur wenige hundert Meter vom Airport.
Ingrid Franke spricht immer lauter. Doch gegen den Lärm aus den Turbinen des Flugzeugs, das wenige hundert Meter über ihrem Kopf zur Landung auf dem Flughafen Schönefeld angesetzt hat, kommt sie nicht an. „Haben Sie alles verstanden?“, fragt sie grimmig lächelnd, als ein Gespräch in normaler Lautstärke wieder möglich ist.
Ingrid Franke und ihr Mann Bernd leben seit fast fünfzig Jahren in Bohnsdorf. Dass der Ort in der östlichen Einflugschneise des Flughafens liegt, haben sie damals in Kauf genommen, an den entsprechenden Lärm sind sie gewöhnt. Doch was ab dem nächsten März auf sie zukommt, wenn der Airport Berlin Brandenburg mit fast einjähriger Verzögerung den Betrieb aufnimmt, übersteigt auch ihre Leidensfähigkeit. Bis zu 1.000 Flieger sollen dann täglich starten und landen, allein 250 davon donnern dann über das Haus der Frankes. Aktuell starten und landen 197 Flieger in Schönefeld – insgesamt. „Am liebsten wäre uns deshalb ein Umsiedlungsangebot“, sagt Bernd Franke, „doch bisher gibt es so etwas nicht.“
Stattdessen übernimmt die Flughafengesellschaft in einem bestimmten Umfang die Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern, damit sich die rechtlich vorgeschriebenen Belastungsgrenzwerte im Inneren der Häuser einhalten lassen. Auch Lüfter müssen eingebaut werden, da die Bohnsdorfer in Zukunft wohl nur noch bei geschlossenen Fenstern schlafen können. Gut 25.000 Haushalte im gesamten Umfeld des Flughafens sind antragsberechtigt, ihnen wurde von der Flughafen GmbH eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt. Doch nur wenige Betroffene waren mit den Vorschlägen einverstanden und unterschrieben das Papier, womit alle weiteren Ansprüche an die Flughafengesellschaft abgegolten sind. Tatsächlich gebaut wurde bisher in etwa tausend Häusern.
Auch Rainer und Marianne Spielmann nahmen das Angebot an. Dass sie im Garten ihres Hauses in der Parchwitzer Straße ein Gespräch unterbrechen müssen, wenn ein Flugzeug landet, ist für sie Alltag. Doch im Haus wollen sie den Lärm nicht haben. Seit 2001 ist es mit Schallschutzfenstern ausgerüstet, die alle Geräusche von draußen reduzieren. Dafür ist das Ticken der Wanduhr im Wohnzimmer umso deutlicher zu hören.
Auf Kosten der Flughafengesellschaft bekamen die Spielmanns im November 2011 neue Fenster, die die steigende Lärmbelastung ausgleichen sollen, auch zwei Lüfter wurden eingebaut. Maßnahmen für knapp 7.000 Euro, doch wirklich zufrieden ist Rainer Spielmann damit nicht. „Bei der Planung des Umbaus wurde gepfuscht. Für die Lüftung gab es kein durchdachtes Konzept, jetzt haben wir Probleme mit Feuchtigkeit“, erzählt er. Kontrolliert habe das Ergebnis niemand. Trotzdem gilt das Haus der Spielmanns bei der Flughafengesellschaft als fertig umgebaut. Nachbesserungen soll es nicht geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf