: Schall und Rauch
KOMMENTAR
Schall und Rauch
Politische Kultur unterliegt Konjunkturschwankungen. Es ist noch gar nicht lange her, da versicherten Hamburgs Bürgerschaftsfraktionen hoch und heilig, daß es so nicht weitergehen könne mit den politischen Schlammschlachten. Sachliche Auseinandersetzungen sollten künftig angesagt sein statt polemischer Schimpfkanonaden. Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit, Rechtsextremismus waren damals die Stichwörter.
Vergessen. Wenn Hamburgs Abgeordnete heute in die Parlamentsbütt steigen, um sich dem Thema Saga zu widmen, dann wird zunächst die Opposition dem Senat abwechselnd Mietenschwindel, Stimmenkauf, Wahlbetrug, Machtmißbrauch vorwerfen. Der Senat, prächtig vertreten durch Bausenator Eugen Wagner, wird in passender Münze zurückzahlen. Politische Kultur? Nur an Sonn- und Feiertagen.
Wäre es anders, dann könnte der Bausenator heute zugeben, daß in seiner zehnjährigen Amtszeit die Saga-Fehlerquote nicht eben gering gewesen ist. Versäumnisse bei der Instandhaltung, Unterlassung der dringend notwendigen Dezentralisierung, bürokratischer Wasserkopf. Ja, er könnte sogar zugeben, daß es für Wohnungssuchende durchaus nützlich war, wenn man einen kannte, der einen kannte, der bei der Saga arbeitet. Der Bausenator könnte danach zur Fehleranalyse übergehen und vielleicht sogar Lösungswege aufzeigen.
Und die Opposition? Sie könnte darauf verzichten, den Saga-Popanz weiter aufzupusten. Das käme der CDU zugute, die nicht mehr erklären müßte, worin sich der „Mietenschwindel“ (SPD-Senat) von der „Steuerlüge“ (CDU-Bundesregierung) unterscheidet. Die GAL hätte es nicht länger nötig, unterschwellig eine saftige Erhöhung der Sozialmieten zu fordern. Und die Freidemokraten müßten sich nicht fragen lassen, wo der Unterschied zwischen den 87er Wahlgeschenken Mieterhöhungsstopp (SPD) und Gewerbesteuersenkung (FDP) liegt. Alle zusammen könnten statt dessen zur konstruktiven Kritik übergehen und den Fehleranalysen und Lösungsvorschlägen des Bausenators Alternativen entgegensetzen. Uli Exner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen