Schalke-Kader ist zu groß: Zehn müssen gehn
Der FC Schalke 04 hat in der Winterpause seinen Kader aufgebläht. Die Gehaltskosten übersteigen die Einnahmen. Der Klub hofft jetzt auf Interesse an seinen teuren Ladenhütern.
Nach allem, was über das Zustandekommen von Aufsichtsratsbeschlüssen beim FC Schalke 04 bekannt ist, dürfte es Felix Magath leichtgefallen sein, die Herren Aufseher für seine Pläne zu gewinnen. Seit Jahren werde in diesem obersten Kontrollgremium des Revierklubs emotional entschieden, sagen Insider, die Räte neigten dazu, überaus optimistisch zu kalkulieren. Diesmal reichte offenbar ein Anruf. "Ich habe an Neujahr mit Clemens Tönnies (dem Aufsichtsratschef; d. Red.) telefoniert, und er hat mir ein wenig Geld für Zugänge zur Verfügung gestellt", erzählt Trainermanager Felix Magath. Angeblich handelt es sich um private Mittel, die Tönnies dem Klub borgt.
Mit dem Freibrief des Chefs in der Tasche hat Magath dann flugs Peer Kluge, Alexander Baumjohann, Edu, Bogdan Müller, Tore Reginiussen und Besart Ibraimi verpflichtet. Insgesamt kosteten die Neuzugänge rund 3 Millionen Euro, und die Bundesliga schüttelt erstaunt den Kopf über diese Schalker, denen das Geld immer so locker in der Tasche sitzt. Dabei drohte noch im vorigen Herbst die Insolvenz, die Verantwortlichen gaben zu, dass der Kader viel zu hohe Gehaltskosten verschlinge, und beteuerten, dass sich das sehr bald ändern werde. Erst der Verkauf von Stadionanteilen an ein städtisches Energieunternehmen sicherte die Liquidität für die laufende Saison, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ordnete ein Nachlizenzierungsverfahren an. Dort habe Schalke jedoch "alle Auflagen fristgerecht erfüllt", sagt DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. Es scheint, als hätten die Schalker Finanzprobleme sich in Wohlgefallen respektive in Luft aufgelöst.
Aufgrund der sportlichen Erfolge sind zusätzliche TV-Einnahmen geflossen, im DFB-Pokal wurden nicht kalkulierte Gelder generiert, und weil Mesut Özil zur festen Größe in der Nationalmannschaft avancierte, muss Werder Bremen eine Nachzahlung an Schalke, den früheren Verein des Deutschtürken, leisten. "Eigentlich wollte ich Spieler verkaufen", sagt Magath. Die guten Entwicklungen haben ihn offenbar umgestimmt.
Ein paar Leute auf Schalke empfinden aber durchaus ein gewisses Unbehagen angesichts der Fortsetzung des alten, extrem riskanten Weges. "Ich wurde schon ermahnt, jetzt mal aufzuhören", zitiert der Kicker Magath, der aber nicht verraten mag, wer ihn zur Besonnenheit aufgefordert hat. Denn selbst wenn die Wintertransfers mit zusätzlichen Einnahmen bezahlt werden können, das große Schalker Problem wurde noch akuter: Die Gehaltssumme, die der Klub Monat für Monat an seinen Kader überweisen muss, übersteigt die Einnahmen bei Weitem. Wenn Magath diese Diskrepanz nicht auflöst, droht bald das nächste Liquiditätsloch. Das gibt der Meistertrainer unumwunden zu. Bislang wurde nur Levan Kobiashvili abgegeben, der Profikader umfasst derzeit 35 Spieler, hinzu kommen die beiden Vertragsamateure Christoph Moritz und Joel Matip, die zuletzt Stammspieler waren.
An die zehn Profis würde Magath daher gerne abgeben, einige lassen sich aber nicht verkaufen, weil sie anderswo nicht annähernd so viel verdienen würden (Asamoah, Altintop, Streit), andere werden derzeit fleißig bei der Konkurrenz angeboten. Der VfL Wolfsburg, der HSV und der VfB Stuttgart sollen an Benedikt Höwedes interessiert sein, eine Ablösesumme von bis zu 10 Millionen Euro wurde aufgerufen, und natürlich ist auch Rafinha weiterhin zu haben. Bis zum Ende der Transferperiode am 1. Februar wird Magath intensiv am Verkauf des ein oder anderen Stars arbeiten, der Einkäufer wird zum Verkäufer, aber es bleibt ein riskantes Spiel. Denn niemand weiß, wie die gut funktionierende Mannschaft den personellen Umbau verkraftet.
Doch die Verlockungen der Tabellenspitze haben den Mut zum neuen Risiko geschürt. Schalke ist Zweiter, es gibt Ambitionen, die Champions League zu erreichen, vielleicht sogar Meister zu werden, und diese Chance wollen sie nicht durch übertriebene Vernunft schmälern. "Wir wollen die Gelegenheit nutzen, das Bestmögliche rauszuholen", sagt Magath, der wohl eher nicht als Sanierer der Schalker Klubfinanzen in die Geschichte eingehen wird, aber wenn er Erfolg hat, geht die Rechnung auf. Nur, was passiert, wenn der Plan schiefgeht, vermag auf Schalke derzeit niemand zu beantworten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen