Schätzungen der UN: Mehr als 5.000 Todesopfer in Syrien
Neun Monate Protest, mehr als 5.000 Tote: Die Bilanz der UN über die Opfer in Syrien zeigt die Brutalität des Assad-Regimes. Eine UN-Resolution scheiterte bislang am Veto Chinas und Russlands.

NEW YORK dapd/dpa | In Syrien sind nach Schätzung der UN mehr als 5.000 Menschen bei der brutalen Niederschlagung der seit neun Monaten andauernden Proteste getötet worden. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sagte am Montag, sie habe den Sicherheitsrat über den dramatischen Anstieg der Zahl der Toten informiert. Unter den Opfern seien mindestens 300 Kinder, tausende Menschen seien festgenommen worden.
Eine "gewaltige Anzahl" von Syrern sei in Lagern interniert. Dort werde gefoltert und vergewaltigt. Die UN-Menschenrechtskommissarin erklärte, sie empfehle dem Sicherheitsrat angesichts der Gewalt in Syrien, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag anzurufen. Dieser solle gegen das Regime von Machthaber Baschar Assad wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermitteln.
Im August, als Pillay den Sicherheitsrat zuletzt über die Zahl der Toten in Syrien unterrichtet habe, habe sie von 2.000 Toten gesprochen, sagte Pillay. In den vergangenen Wochen hatten die UN die Zahl der Toten mit etwa 4.000 beziffert.
Im Gleichschritt mit Arabischen Liga
US-Botschafterin Susan Rice sagte, die jüngsten Schätzungen unterstrichen die Dringlichkeit der derzeitigen Lage. Nach der Verurteilung durch die UN-Vollversammlung und den Menschenrechtsrat sowie den von der Arabischen Liga und der türkischen Regierung ergriffenen Maßnahmen gegen das Land sei eine entsprechende Reaktion des UN-Sicherheitsrats überfällig.
Der britische Botschafter Mark Lyall Grant sagte, wenn die Angelegenheit erneut vor den Sicherheitsrat komme, würden eine Reihe von Optionen in Erwägung gezogen werden: "Wir werden im Gleichschritt mit der Arabischen Liga handeln müssen."
Der Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bei den UN, Philippe Bolopion, sagte, nun, da Pillay die Mitglieder des Sicherheitsrates über das Ausmaß der Tragödie unterrichtet habe, sei Tatenlosigkeit keine Option mehr: "Die Geschichte wird hart über diejenigen urteilen, die sich immer noch zum Wegschauen entscheiden."
Westerwelle erklärte nach einem Gespräch mit der Menschenrechtskommissarin, die Schilderungen aus Syrien seien "bedrückend". Pillay habe von einem "großen Maß an Grausamkeiten", Repressionen und Menschenrechtsverletzungen berichtet. "Das kann nicht hingenommen werden", mahnte er. "Das braucht eine gemeinsame Antwort der internationalen Gemeinschaft." Der Sicherheitsrat müsse handeln und eine Resolution gegen das syrische Regime auf den Weg bringen. Das sei die internationale Gemeinschaft den Menschen in Syrien schuldig.
Der UN-Sicherheitsrat hat Assads Regime bisher nur in einer Erklärung wegen der Gewalt verurteilt. Ein von westlichen Ländern eingebrachter Resolutionsentwurf zur Verurteilung des Blutvergießens in Syrien scheiterte im vergangenen Monat am Veto von Russland und China. Deutschland sitzt derzeit als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat.
Dialog als Lösung?
Die Lage in Syrien sei nur durch Dialog zu lösen, der von Syrien selbst angestoßen werden müsse, sagte der russische Botschafter Witali Tschurkin.
Das Assad-Regime geht seit Monaten mit brutaler Gewalt gegen die Opposition vor. Allein am Wochenende kamen nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten bei Zusammenstößen mit syrischen Streitkräften mindestens 17 Menschen ums Leben. Am Montag setzten sich die Kämpfe zwischen syrischen Regierungstruppen und Deserteuren fort. Aktivisten zufolge wurden am Montag landesweit mindestens 16 Menschen getötet, die meisten in der Protesthochburg Homs.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart