Schachspieler Hikaru Nakamura: Großmeister weniger großmäulig

Der als Provokateur verschriene Hikaru Nakamura gewinnt überraschend das bestbesetzte Turnier des Jahres in Wijk aan Zee. Und weiß sich zu benehmen.

Drohte seinen Gegner auch schon mal Drescha an: Hikaru Nakamura. Bild: dpa

BADEN-BADEN taz | "Ich bin im Hotelzimmer auf und ab gehüpft. Ich war so glücklich", gesteht Hikaru Nakamura seinen Gefühlsausbruch, nachdem er bei der Internet-Live-Übertragung sah, dass Viswanathan Anand seine letzte Partie im nahen Spielsaal auch nur "unerwartet" remisierte.

So blieb der US-Amerikaner beim stärksten Schachwettbewerb des Jahres in Wijk aan Zee mit 9:4 Punkten einen halben Zähler vor dem ungeschlagen gebliebenen Weltmeister aus Indien, dem Weltranglistenersten Magnus Carlsen (Norwegen) und -dritten Lewon Aronjan (Armenien/beide 8:5) sowie dem -vierten Wladimir Kramnik (Russland/7,5:5,5).

"Es ist immer schön, ein Turnier zu gewinnen - aber bei einem Elitewettbewerb wie diesem vorne zu sein, das ist etwas ganz anderes", ordnete Nakamura seinen Erfolg ein und schob nach, "ich weiß gar nicht, wann ein Amerikaner zuletzt bei solch einem Major-Turnier vorne lag." Es dürfte wohl der legendäre Bobby Fischer gewesen sein, der vor seinem Rückzug als Weltmeister 1972 dermaßen triumphierte.

Bis dato schien Nakamura nur mit seinem rüpelhaften Verhalten in die großen Fußstapfen des besten Spielers aller Zeiten treten zu können. Am Schachbrett blieb der US-Rowdy dies jedoch schuldig. Zwar galt der 23-Jährige als bester "Bulletspieler" im Web, aber die Zockerei mit lediglich einer Minute Bedenkzeit für die gesamte Partie genießt unter Topprofis eher einen zweifelhaften Ruf - passte indes zu Nakamuras schlechtem Image.

Als Provokation zog der in Hirakata als Sohn eines Japaners und einer Amerikanerin geborene Großmeister nach dem Aufzug der beiden Königsbauern mit Weiß gern die Dame auf das Feld h5 - nur ein Anfänger versucht so primitiv, das Schäfermatt einzuleiten. Bestrafte ihn dafür ein Rivale, musste dieser durchaus mit üblen Beschimpfungen durch das Großmaul rechnen.

Schon eher harmlos klang es, als Nakamura in Moskau nach seiner Schlappe gegen Alexander Grischuk dem Russen androhte, ihn bei der folgenden Blitzweltmeisterschaft wie ein "Baby zu verdreschen", berichtet die Webseite www.schach-welt.de.

Nach seinem größten Erfolg an der niederländischen Küste gelobte Nakamura, Manieren und Eröffnungen gelernt zu haben. "Meine Art, wie ich Schach spiele, hat sich geändert. Ich wurde seriöser: Kein Damenzug nach h5 mehr, keine verrückten Eröffnungen mehr!", versprach der bisherige Rowdy und sieht sich auf dem richtigen Weg. "Meine Ergebnisse wurden besser und ich kann mich hoffentlich weiter steigern."

Kletterte der Weltranglistenzehnte zuletzt schon steil nach oben, kommt er nach Wijk aan Zee auf Platz sieben - und in die Top 4 mit einer Weltranglistenzahl von 2.800 will Nakamura auch "bis zum Jahresende" stürmen. Unter den Türmen der Stahlkocher in Wijk aan Zee ließ er die vier Konkurrenten an der Spitze bereits hinter sich.

Nur nach seiner einzigen Schlappe gegen den diesmal zu wechselhaft agierenden Jungstar Carlsen brach das alte Temperament bei Nakamura wieder etwas durch. "Heute hätte ich ziemlich sicher gegen jeden und jede Eröffnung übel verloren", setzte der geläuterte Rüpel den Sieg des 20-Jährigen herab. Bleibt es bei für ihn halbwegs moderaten Formulierungen via Twitter und Hüpforgien im Hotelzimmer, dürfte Nakamura künftig noch häufiger über seinen Tweet ein lang gezogenes "Yessssssss!" versenden.

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