Saxofonist Joshua Redman: "Ich verstehe Jazz nicht"

Jazz in Zeiten, in denen der Fortschritt der Stile nicht mehr zu benennen ist: Der Saxofonist Joshua Redman kommt auf Tournee nach Deutschland.

In seinem Pass steht immer noch Shedroff. Aber als Joshua Redman machte er eine der aufsehenerregendsten Karrieren der Neunzigerjahre. Jetzt, gerade 40 geworden, gilt der Saxofonist als einer der erfolgreichsten Jazzmusiker seiner Generation. Heute lebt Redman mit Frau und Kind in San Francisco und spielt einen Jazz, der ambitioniert und konstruktiv klingt. Sein neues Album "Compass" ist das beste Beispiel für seinen Beitrag zum Stand der Kunst: Mit zwei Schlagzeugern und zwei Bassisten zusammen nahm er diese Musik in einem Studioraum auf. Nun ist er mit einem Trio auch in Deutschland auf Tour.

Joshua Redmans Mutter war Tänzerin, er wuchs bei ihr auf, "in einem jüdisch-undogmatischen Hippiehaushalt in Berkeley, Kalifornien", so Redman. Nach einem Unfall konnte seine Mutter nicht mehr arbeiten. Um jedoch Sozialhilfe zu bekommen, wollte sie den Namen seines Vaters nicht preisgegeben. Der versuchte sein Glück als Saxofonist und Musiklehrer in New York: Gefördert durch Ornette Coleman, machte Dewey Redman einst Karriere als Avantgarde-Saxofonist, später spielte er im amerikanischen Quartett von Keith Jarrett. Dass Joshua später den Namen seines afroamerikanischen Vaters annahm, hatte vor allem berufliche Gründe.

Erste Auftritte und Aufnahmen hatte der junge Saxofonist Anfang der Neunzigerjahre in New York zusammen mit seinem Vater bestritten, und da wurde es ihm lästig, dass er nicht den gleichen Namen wie sein Vater trug. Schnell startete er damals eine eigene Karriere, eigentlich zu schnell, wie er rückblickend sagt. Dass junge Musiker wie er in den Neunzigern als Young Lions bezeichnet wurden, sei lächerlich gewesen. Abgesehen von Marketinggründen, habe dies keinerlei Bedeutung gehabt.

Lyrische Qualität und harmonische Klarheit sind zwei Begriffe, mit denen Joshua Redman sein eigenes Spiel beschreibt. Die Traditionen des Jazz können jedoch auch zur Falle werden, sagt der Saxofonist: "Man möchte natürlich das intellektuelle und emotionale Niveau dieser Musik bewahren, doch einfach nur wiederholen, kann es ja nun nicht sein. Das ist das große Problem mit Komponisten wie John Coltrane und Ornette Coleman - ihre Musik ist so unglaublich eindrucksvoll und inspirierend, dass man sich dringend auf eigene Einfälle konzentrieren muss, wenn man ihr nur halbwegs gerecht werden will." In dieser Sichtweise hat der Jazz nur bedingt mit dem Bewahren des Vergangenen zu tun.

Jazz ist für Redman eine Sprache, die man lernen muss, eine Sprache, die heute auf der ganzen Welt gesprochen wird. Doch es ist nicht nur das Image der Wiederholung, das ihn stört. Er möchte einfach nicht, dass der intellektuelle Rahmen, in den Jazz gestellt wird, die Ebene der Gefühle unterdrückt. "Wer sagt, dass man Jazz verstehen muss, dem antworte ich, dass ich ihn nicht verstehe. Wir kommen der Musik jedenfalls nicht näher, wenn wir sie mit zu viel Gerede überfrachten", sagt Redman.

1996 nahm die New Yorker Modefirma DKNY Redman als Werbeträger unter Vertrag. Als "the urban guy who lives for the risk" posierte der junge Jazzmusiker, und seine Band wurde mit Designerklamotten ausgestattet. In jenen Tagen meldete Redmans amerikanische Plattenfirma große Verkaufserfolge mit seinen CDs. Man konnte Redman mit den Rolling Stones zusammen sehen und mit US-Präsident Clinton. Heute lächelt er darüber, er bereue zwar nichts, doch vielleicht hätte er damals besser mehr Zeit auf sein Instrument verwenden sollen - "einfach mehr üben", lautet ein Spruch, den er häufig sagt.

Mit dem von ihm mehrere Jahre geleiteten San Francisco Jazz Ensemble wie auch mit seiner eigenen Elastic Band nahm Joshua Redman wiederholt Kompositionen von Ornette Coleman auf. "Eines Morgens wachte ich mit der Idee auf, die wunderschöne Ballade ,Lonely Woman' über einen Uptempo-Drum-n-Bass-Groove zu spielen", berichtet Redman. "Normalerweise verfolge ich keine Konzepte, die ein Stück festlegen, bevor man es zusammen gespielt hat. ,Lonely Woman' war so gesehen die große Ausnahme. Wir haben schnell festgestellt, dass es uns große Freiheit lässt, unsere eigenen Ideen auszudrücken."

Brad Mehldau, der als Pianist in Joshua Redmans Band begann, beschreibt als charakteristisch für die Generation um Redman, dass es kein aktuelles Zentrum der Jazzentwicklung mehr gibt. Redman selbst begreift das jedoch als Chance. "Von den Anfängen des Jazz bis in die frühen Siebzigerjahre verlief die Geschichte relativ linear. Man hatte das Gefühl, dass es einen dominanten Stil in jedem Zeitabschnitt gab und dass sich der jeweils Nächste aus dem Vorangegangenen entwickelte. Neue Stile waren nicht besser als alte, sie waren jedoch eng miteinander verknüpft", resümiert Redman. So gesehen sei das Neue erkennbar und das Alte wiedererkennbar gewesen. Man konnte den Fortschritt also benennen und Bezüge zwischen den verschiedenen Epochen herstellen.

Redman empfand diese Entwicklung immer als evolutionär. Doch dann gab es einen Bruch und als Musiker wie Mehldau und er an die Öffentlichkeit gingen, habe man nicht mehr auf die Jazzstile von früher reagiert. Wenn Mehldau heute von einem Mangel an Zentrum spreche, gehe es um ihre postmoderne Art zu komponieren, sagt Redman: "Wir bedienen uns aus dem großen Pool der Ideengeschichte des Jazz, doch wir führen nichts mehr weiter oder zu Ende."

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