piwik no script img

Saudi-Arabien rüstet aufHunger nach Waffen

Schiffe, Atomverträge, Panzer: Die Saudis wollen sich dem wachsenden Einfluss des Iran in der Region mit allen Mittel entgegenstellen.

Streit mit dem Iran hatten auch andere mal: Zum Beispiel der Irak. Bild: dapd

BERLIN taz | Es sieht so aus, als bereite sich Riad auf schwere Zeiten vor. Im Oktober 2010 vereinbarte Saudi-Arabien mit den USA ein Waffengeschäft über 60 Milliarden US-Dollar, verteilt auf die nächsten fünfzehn Jahre.

Das Geschäft ist noch nicht durch den Kongress in Washington, doch bereits im April sagte ein Sprecher des Konzerns Lockheed, dass sich ein Auftrag über die Lieferung von Schiffen an die saudische Marine auf 20 Milliarden Dollar belaufen könnte.

Im April gab das Königreich zudem Pläne bekannt, "für friedliche Zwecke" einen Atomvertrag mit China zu unterzeichnen. Ende Juni unterschrieb es einen "Vertrag der atomaren Zusammenarbeit" mit Argentinien, das über Reaktoren "zur Stromgewinnung und Meerwasserentsalzung" verfüge, wie Arab News berichtet. Anfang Juli sagte Prinz Turki, ein Insider des Königshauses, vor Nato-Offizieren in Großbritannien, sein Land werde gezwungen, "eine Politik zu verfolgen, die zu unsagbaren und möglicherweise dramatischen Konsequenzen führen werde" - sollte es dem Iran gelingen, die Atombombe zu bauen.

Saudi-Arabien hat in den vergangenen Jahren zwei Militäraktionen mit dem Ziel geführt, iranischen Einfluss von seinen Grenzen fernzuhalten. Zum Jahreswechsel 2009/2010 bombardierte es Positionen der Houthi-Rebellen im Norden Jemens, nahe der saudischen Grenze. Die Houthis sind Schiiten und standen deswegen im Verdacht, mit dem Iran zu kooperieren - es gab jedoch keine konkreten Hinweise darauf. Und Mitte März marschierten 1.000 saudische Soldaten in das Nachbarland Bahrain ein, einen kleinen Inselstaat im Persischen Golf, dessen Bevölkerung mehrheitlich schiitisch ist, das aber von einem sunnitischen König regiert wird.

"Washington tobte"

Der Nahostexperte Simon Henderson vom Washingtoner Institute for Near East Policy sagt der taz, dass Saudi-Arabien rund zwanzig US-amerikanische M-60-Panzer nach Bahrain geschickt habe. "Washington war außer sich vor Wut." Er glaube übrigens nicht, dass das Geschäft mit den deutschen Leopard-Panzern zustande komme, weil Berlin nicht wolle, dass Panzer gegen Demonstranten eingesetzt würden. "Jedes saudische Versprechen wäre in dieser Hinsicht das Papier nicht wert, auf das es geschrieben wurde."

Anfang Juli einigte sich der Golf-Kooperationsrat darauf, seine gemeinsamen Truppen auf 100.000 Soldaten aufzustocken. Stützpunkt dieser Truppen könnte Bahrain sein, berichtete der Sender al-Dschasira. Die Mehrzahl der Soldaten wird aus Saudi-Arabien kommen, denn das Land dominiert den regionalen Club, zu dem außerdem noch Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Diese Länder eint, dass sie von sunnitischen Königshäusern regiert werden, die sich mit zunehmenden Forderungen ihrer Bevölkerung nach demokratischen Reformen und oft auch nach mehr Rechten für Schiiten konfrontiert sehen.

Saudi-Arabien jedoch sieht überall die Hand Teherans im Spiel. Am 11. März hatte die saudische Opposition zu einem "Tag der Wut" aufgerufen. Demonstranten forderten das Königshaus auf, den Staat zu reformieren. Außenminister Prinz Saud erklärte dazu, dass es Teheran sei, das versuche, einen Aufstand anzuzetteln. Und im April jubelten die saudischen Zeitungen, weil endlich ein iranische Verschwörung aufflog: In Kuwait wurden zwei Einheimische und ein Iraner wegen Spionage für den Iran zum Tode verurteilt, obwohl die Indizien mager waren.

Das Königreich agiert zunehmend hysterisch. Die Berichte des iranischen Auslandssenders Press TV dagegen klingen wie westliche Einschätzungen: Sachlich stellten sie die schäbige Behandlung der schiitischen Minderheit Saudi-Arabiens und die der Frauen dar, die nicht Auto fahren dürfen.

Die Beziehungen zu den USA haben sich wegen des saudischen Einmarschs in Bahrain deutlich abgekühlt. Dennoch beschränkt sich die US-Regierung bisher darauf, im Stillen Kritik zu üben. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hingegen besuchte Mitte April Riad und äußerte ihre Sorge über "Teherans zunehmende Einmischung in die Angelegenheiten eines Landes des Golfrats" - als wäre Iran in Bahrain einmarschiert und nicht Saudi-Arabien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • G
    gustavKaergele

    Ich bin für die Rüstungsexporte.

    Alles andere ist hohler Schwachsinn.

    Wenn man als Handelspartner auf einander

    angewiesen ist, dann hat das Konsequenzen.

    Unsere Industrie wird auch von arabischen

    Kaufleuten als Mehrheitsaktionäre am Leben

    gehalten und verantwortungsvoll weiter

    entwickelt.

    Die im Fernsehen propagierten Mißhandlungsfälle

    gibt es auch bei uns, wo Deutsche die Täter sind!

    Und Frauen, die in Saudi-Arabien auch sehr

    angesehene Berufe haben und nur nicht Auto fahren

    dürfen, können bei den Guthaben über das sie

    verfügen, nicht wirklich klagen.

    Da gibt es selbst in Deutschland HarzIV-Frauen

    die ganz anders dran sind.

     

     

    Wir sind selber auf den Waffenexport angewiesen,

    um unsere eigene Verteidigungsfähigkeit

    finanzieren zu können und Saudi Arabien vertraut uns.

    Wir dürfen sie nicht enttäuschen.

    Wenn der Iran der Alleinherrscher über

    die arabischen Ölquellen würde, dann hätten wir

    selbst ein gewaltiges Problem.

    Die Saudis und die Iraner haben

    ein Recht auf Ihre bereits bestehenden Länder.

    Mehr Land dürfen sie sich aber nicht Untertan machen.

     

    Einen Zusatz, dass diese Waffen diesmal aber

    nur für Verteidigungskriege benutzt werden und

    ein Leistungsangebot an Maschinen zur zivilen

    Räumung von Plätzen (Wasserwerferfahrzeuge) sollte

    es aber schon geben.

    Die Opec hatte bisher nie unsere wirtschaftliche

    Entwicklung nach dem Öllieferstop zu Zeiten von

    Kanzlers Schmidt abgewürgt.

    Sie waren verläßlich und verantwortungsvoll.

    Die Entscheidung zur Lieferfreigabe ist richtig.

     

    Man sollte ein Wettrüsten mit Massenvernichtungs-

    waffen aber vermeiden. Hysterie ist gefährlich.

    Vielmehr soll Ahmadinedschad seine Konditionen

    zum Verzicht auf ein Atomwaffenprogramm nennen

    und seine Glaubwürdigkeit beweisen und einen

    Stufenplan vorlegen. Das Ziel muss sein

    den gesamten Nahen Osten frei von Massenvernichtungswaffen zu bekommen.

     

    Der Plan solle vorsehen, dass der Iran,

    Saudi-Arabien und Israel genau jeweils

    2 Atomwaffen festgelegter Sprengkraft

    zur Vernichtung jeweils einer Millionenstadt haben dürfen. Alle anderen müssen ausgehändigt und

    und sachgerecht von einen internationalen

    Atomwaffenaufsicht verschrottet werden.

    Jedes Land hat bei Erstangriff die Möglichkeit

    maximal zwei unterschiedliche Nationen

    extrem zu bestrafen.

    Aber das Leben in den Breiten wäre dann immer noch

    möglich.

    Durch zusätzliche immer engere Vernetzung

    der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen

    sollen dann letzlich alle Atomwaffen verschrottet

    werden, weil der Verlust an eigenen Leuten und Vermögen im anderen Land zu groß wäre.

  • V
    vic

    Immer mehr Staatschefs nutzen die allgemein akzeptierte Atombomben-Paranoia vor dem Iran, um sich selbst was Gutes zu tun- wozu auch immer das gut sein soll.

  • AD
    Advocatus Diaboli, Basel

    Obwohl ich bei der Schweizerischen Gesellschaft für die Abschaffung der Schweizer Armee GSoA bin (die gibt es wirklich), muss ich sagen: JA zum Export von Rüstungsgütern in sogenannte Spannungsgebiete, jetzt halt Saudiarabien. Denn: wo werden Waffen jeder Art gebraucht? Genau, in Saudiarabien, weil es opportun ist, die jeweiligen Dissidenten niederzuknüppeln, wie immer es geht. Solange es eine deutsche (und auch Schweizerische) Waffenindustrie gibt, muss jetzt dieser undemokratischen, aber dem Westen freundlich gesinnten Diktatur Waffennachschub gewährt werden, eben WEIL sie wohl bald Krieg gegen ihr eigenes Volk führen wird. Wo in naher Zukunft Unruhen zu bekämpfen sind, da muss Deutschland einfach Waffen hinliefern, sonst tut es ein anderes Land! Wer hat denn das Rassistenregime in Südafrika der 60er und 70er Jahre aufmunitioniert? Die Schweiz und Deutschland. Und die Waffen wurden geliefert, weil das damals opportun war. Also bitte keine Krokodilstränen wegen zu erwartender abgeknallter Demonstranten (wie jetzt in Syrien), sondern allen existierenden Diktaturen weltweit deutsche Waffen liefern. Sie werden jetzt benötigt, dringend!

  • H
    Hohn

    Netter Artikel... jedoch stimmt die Bildunterschrift:

    "US-Panzer, hier beim Abzug aus dem Irak." nicht, da es sich nicht um einen US-amerikanischen sondern einen irakischen Panzer russischer Bauart handelt.

  • M
    mmh

    Das ist ein russischer Panzer. Hoffe der Rest ist besser recherchiert.

    Mag ein Detail sein, aber wer über internationale Waffen- und Militärgeschäfte schreibt und einen amerikanischen nicht von einem russischen Panzer unterscheiden kann, bei dem frage ich mich, was ich sonst von seiner Einschätzung zu dem Thema halten soll.

  • M
    moritz

    Ihr Bild: "US-Panzer, hier beim Abzug aus dem Irak. Gibt's jetzt auch beim Saudi." zeigt tatsächlich einen T-72 aus russischer Produktion unter irakischer Flagge. Immerhin haben sie es geschafft, kein Schiff zu zeigen. Respekt!

  • A
    Albi

    Bildunterschrift der Redaktion ist falsch, das abgebildete Panzer ist nicht eine US-Bautyp, sondern eher ein Panzer der russischen Bauart...

  • D
    deviant

    Irgendwie ist es mir ja selbst peinlich, heute nochmal die taz berichtigen zu müssen, weil sie über den Islam bullshitted, statt informiert zu klugscheissen.

     

    Also: Oman ist das wohl einzige Land der Welt mit einer ibaditischen Mehrheit, auch das Herrscherhaus ist ibaditisch.

     

    Diese sehr alte Glaubensrichtung ist zwar theologisch den Sunniten näher als den Schiiten, dass heisst aber noch lange nicht, dass es Sunniten sind. Die Ibaditen sind eine "gemäßigte" Gruppe innerhalb der Glaubensrichtung der Charidschiten, einer der frühen Gruppen innerhalb der Muslime, die anderen sind Schiiten und Sunniten; sie glauben in der Nachfolge Muhammads sollten familiäre Bande vernachlässigt werden und stattdessen persönliche Qualitäten in den Vordergrund gestellt werden, oft paraphrasiert als "der beste Muslim", der die Gemeinschaft führen sollte. Für Sunniten und Schiiten hingegen sollte sich die Nachfolge des Propheten vor allem aus dessen weggefährten und Familie rekrutieren.Aufgrund fehlender Kriterien und persönlicher Überzeugungen haben sie sich gegenseitig und im Kampf gegen andere quasi völlig aufgerieben, eben bis auf die Ibaditen, die vor allem im Oman leben.

    Gleichzeitig gibt es eine gewisse politische Verbundenheit zu schiitischen Gruppen, insbesondere den Ismaeliten (7er-Schiiten), aufgrund gemeinsamer Erfahrungen von Unterdrückung durch die Sunniten. Interessanterweise ist für den Oman vor allem die sunnitische Immigration ein Problem, die in einer Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse münden könnte oder gar bereits darin gemündet hat.

     

    Der Golfrat soll vor allem die Großmachtstellung der Saudis untermauern und autoritäre Strukturen in der Region aufrechterhalten, so wie das auch die EU versucht.