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Satelliten-Hersteller Manfred Fuchs"Die Technologie im All ist kein Zerstörungsmittel"

Der Bremer Weltraumkonzern OHB Technology ist als Familienunternehmen Europas führender Entwickler von Kleinsatelliten. Die werden zivil genutzt - aber auch militärisch. Manfred Fuchs vertraut auf die lauteren Absichten seiner Kunden.

Flieg, flieg kleiner Satellit... Bild: dpa
Interview von Teresa Havlicek

taz: Herr Fuchs, Haben Sie manchmal Sorge, dass Ihre Satellitentechnologie missbraucht wird?

Manfred Fuchs: Nein, unsere Technologie kann nur helfen. Die Daten werden zu Zwecken genutzt, die ich persönlich gut finde: Zur Wetterbeobachtung, zur Erdbeobachtung, zur Verkehrsüberwachung oder zum Umweltschutz. Die optischen Satelliten, die wir momentan bauen, arbeiten mit 200 Messkanälen. Damit kann man feststellen, wo der Wald krank ist oder wie sich Mineralien ablagern.

Kann man die Satelliten auch zum Ausspähen eines potenziellen Angriffsziels nutzen?

Manfred Fuchs, 70

ist Vorstandsvorsitzender der OHB-System AG, einem Tochterunternehmen der OHB-Gruppe, die 2008 eine Gesamtleistung von rund 260 Millionen Euro erbrachte. Davor war Fuchs 25 Jahre lang Ingenieur bei der "ERNO", heute "EADS Astium", und an Projekten wie der "Ariane 1"-Rakete, "Spacelab" oder "Columbus" beteiligt. 1994 erhielt Fuchs eine Honorarprofessur an der Bremer Hochschule.

Nein, die optischen Satelliten sehen nur das Äußere: Panzer, Autos, Krankenwagen. Dort hineingucken oder einzelne Menschen beobachten kann man damit aber nicht.

Auch nicht, zu welchem Zeitpunkt man die Panzer- oder die Autokolonne gut angreifen kann?

Das schon. In diktatorischen Staaten wäre das sicher gefährlich. Aber die haben solche Satelliten nicht. So lange Demokratien unsere Technologien haben, mache ich mir keine Sorgen. Wenn unsere Satelliten in die Hände von so genannten Schurkenstaaten gerieten, wäre das anders.

Das beruhigt nicht alle.

Man kann gerne anderer Meinung sein - wir sind in der Demokratie nur so stark, weil man genau das darf. Aber man sollte immer abwägen, was einem mehr bringt. Stellen Sie sich vor, man würde alle Satelliten aus dem Verkehr ziehen und den technologischen Stand von heute 50 Jahre zurückschrauben: Die ganze Welt würde erstarren.

Vorbehalte gegenüber der kasachischen Republik haben Sie offenbar nicht, da sind Sie Honorarkonsul. Auch aus unternehmerischem Kalkül?

Das Amt wurde an mich herangetragen. Henning Scherf, ehemals Bürgermeister von Bremen, hatte mich dem Botschafter Kasachstans empfohlen und der kam dann zu mir. Das Spannende an solchen Ländern ist: Die wollen dort etwas im Raumfahrtbereich aufbauen. Man merkt auch, dass sie deutsche Firmen wegen ihrer Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit mögen.

Sehr eng sind auch die Beziehungen zu Italien, dem südlichen EU-Außenposten. Da ist Ihr Sohn Honorarkonsul. Vor seinem Konsulat wurde erst Ende März gegen OHB demonstriert …

Das habe ich gar nicht mitbekommen, da war ich im Urlaub. Was wurde denn da gemacht?

Die Demonstranten haben ein Denkmal für ertrunkene Flüchtlinge errichtet.

Die Familie Fuchs ist sehr helfend eingestellt. Was der italienische Ministerpräsident Berlusconi macht, kann man von hier aus nicht steuern. Auch als Honorarkonsul nicht.

Die Kritik zielte nicht nur auf Italien ab, sondern auch auf die militärische Nutzbarkeit Ihrer Entwicklungen.

Das ist natürlich eine zweischneidige Sache - wie bei allem. Ein Auto kann auch eine Bombe sein. Die Technologie im All ist aber keine Bombe, kein Zerstörungsmittel. Da geht es nur ums Gucken und Beobachten. Auch mit dem Fotoapparat kann ich Bilder machen und sie einerseits für meine Kinder ins Fotoalbum kleben, sie jedoch auch andererseits dem Militär geben. Ich glaube, dass unsere Technologie besonders für Deutschland und Europa hilfreich ist. Beispielsweise, wenn man mithilfe von Satellitenbildern erkennen kann, wo in Afghanistan Minen oder Bomben liegen.

Aber die Militärs wollen die Daten auch nutzen, um Flüchtlingsboote auf dem Meer ausfindig zu machen …

Das tut niemand, glaube ich.

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex würde die Daten des Satellitennetzwerkes GMES liebend gerne einsetzen, um die EU-Außengrenzen - auch auf See - zu überwachen. Auch OHB ist an GMES beteiligt. Pro Asyl wirft den Grenzschützern von Frontex vor, Flüchtlingsboote zu verfolgen und abzudrängen …

Das fände ich unmoralisch. Da bin ich dagegen. Ich verstehe auch nicht, dass Leute, die nach Europa wollen, abgewehrt werden - wir brauchen doch Leute. Wir sollten eher einladen, statt uns abzuschotten. Ich persönlich würde die Satelliten zum Retten einsetzen und die Boote alle einsammeln.

Ganz so friedlich ist das alles aber nicht: Wenigstens der große Auftrag für die SAR-Lupen kam in direkter Folge des Kosovokriegs zustande …

So ist es. Während des Kosovo-Krieges hatten nur die Amerikaner Radarsatelliten, die tags wie nachts und unabhängig vom Wetter Bilder machen konnten. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping war unzufrieden, dass er nicht gleichberechtigt behandelt wurde und diese Bilder erst spät und in schlechter Qualität von den Amerikanern bekam. Deshalb hat er die SAR-Lupen initiiert - um eigene Bilder zu haben. Wo genau mit den Lupen beobachtet wird, wissen wir bei OHB nicht, wir haben ja nur das Gerät zur Verfügung gestellt.

OHB ist ein Familienunternehmen.

Wir arbeiten in einer unschlagbaren Dreier-Kombination: Die juristische Seite decken unsere Kinder ab, meine Frau hat die kaufmännische Seite übernommen und ich die Entwicklung.

Das reicht, um zu einem weltweit führenden Raumfahrtunternehmen zu werden?

Wir haben einfach immer genau das gemacht, was die anderen nicht machen und so einen Vorsprung ausgebaut. Zum Beispiel bei den Kleinsatelliten: Mir ist schon früh aufgefallen, dass alles immer kleiner wurde, ähnlich wie bei den Handys. In der Raumfahrt hat das aber keiner kapiert. Bei der Ausschreibung der SAR-Lupe wurde das zum entscheidenden Faktor für uns: Wir hatten innovative Ideen, keine konservativen.

Sie wollten schon immer hoch hinaus?

Eigentlich war mein Traum, Pilot zu werden. Das habe ich auch gemacht und war mit 17 Jahren - ich bin ja in Südtirol aufgewachsen - der jüngste Pilot Italiens. Aber meine Mutter hatte Angst, dass ich abstürze und fand, ich solle lieber studieren gehen. 1956 konnte man in Deutschland erstmals Flugzeugbau studieren. Danach habe ich bei "Hamburger Flugzeugbau", heute "Airbus", als Flugzeug- und Erprobungsingenieur angefangen. Da hatte ich immer noch im Hinterkopf, Testpilot zu werden. Aber meine Frau war massiv dagegen - dafür kann ich ihr nur danken: Ich wollte den Starfighter testen. Die sind ja später oft abgestürzt.

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