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Archiv-Artikel

Sarrazin ist auch nicht schuld

Finanzsenator verteidigt sich auf 34 Seiten gegen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Die ermittle in der Tempodrom-Affäre aufgrund falscher Annahmen und blicke beim Haushaltsrecht nicht durch

VON STEFAN ALBERTI

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat seine mit Spannung erwartete Verteidigungsschrift in Sachen Tempodrom bei der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Darin fordert er über seine Anwältin, die gegen ihn laufenden Ermittlungen einzustellen, und begründet das auf 34 Seiten, die der taz vorliegen. Im Kern hält Sarrazin der Staatsanwaltschaft vor, im Haushaltsrecht nicht wirklich durchzublicken und ihre Vorwürfe auf falsche Annahmen zu stützen. Die Staatsanwaltschaft war in einer noch umfangreicheren, 52-seitigen Schrift, einer „rechtlichen Würdigung“, zu dem Schluss gekommen, dass ihre Vorwürfe berechtigt sind.

In der Tempodromaffäre ermittelt die Staatsanwaltschaft in verschiedenen Komplexen gegen zehn Personen. In Sachen Sarrazin geht es um eine 1,7-Millionen-Euro-Hilfe der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB), Tochter der Landesbank, für das Tempodrom im Herbst 2002. An diesem Sponsoring-Beschluss waren als Mitglieder des zuständigen Aufsichtsratsausschusses Sarrazin, der damalige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch (alle SPD) beteiligt. Der Landesrechnungshof rügte die Hilfe für den Kulturbau im Herbst 2003 als rechtswidrig. Die CDU-Fraktion erstattete darauf Anzeige wegen Untreue gegen Strieder, die Staatsanwaltschaft weitete die Ermittlungen später aus.

Der Finanzsenator ist bisher der einzige der drei, der sich zu der rechtlichen Würdigung geäußert hat. Bis Ende August bleibt den andern beiden noch Zeit, nachzuziehen. Strieder habe das angekündigt, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Auch Strauch werde Stellung nehmen, äußerte sich die Wirtschaftsverwaltung des Senats. Hinter dem Untreuevorwurf steht die Annahme, Sarrazin & Co. hätten durch das Sponsoring das Land geschädigt, quasi das Geld verschleudert wider besseres Wissen, wie schlecht es 2002 um das Tempodrom stand. In diesem April ging der Kulturbau tatsächlich konkurs. Der Betrieb aber läuft „open end“ weiter, wie ein Sprecher des Insolvenzverwalters gestern der taz sagte.

Sarrazin widerspricht in dem 34-seitigen Papier dem Vorwurf, man habe beim IBB-Sponsoring das Parlament umgangen. Die Gelder der IBB seien zwar Landesvermögen, aber nicht Teil des Haushalts, den zu beschließen oberstes Parlamentsrecht ist. Außerdem soll auch dem Land kein Schaden entstanden sein: Ob mit oder ohne Sponsoring, die IBB hätte der Landeskasse für 2002 sowieso kein Geld überwiesen.

Bewegt sich die Argumentation oftmals im Bereich von Wertungen, macht Sarrazin auch einen konkreten Recherchefehler der Staatsanwaltschaft aus. Entgegen deren Annahme, das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm habe wegen des Sponsorings gelitten, sei „kein einziger Cent weniger als geplant in dieses Programm geflossen“. Er ist zudem der Auffassung, dass das Sponsoring durchaus eine Form der Strukturpolitik und damit rechtens war.

Die Staatsanwaltschaft mochte sich gestern zu diesen Punkten nicht äußern und verwies auf ihre abschließende Bewertung. Bislang ging man auch in der SPD davon aus, dass die Behörde Anklage erheben wird. Wie lange das noch dauert, vermochte ein Sprecher gestern nicht zu sagen. Sarrazin will auch bei einer Anklage im Amt bleiben. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat ihn darin vergangene Woche bestärkt. Sarrazins Verteidigerin Anke Müller Jacobsen, Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin, ist in Finanz- und Bankfragen übrigens gut im Stoff: Wie die Finanzverwaltung bestätigte, vertrat sie mehrfach Exmanager der Landesbank.