Sarkozy will hart durchgreifen: Internetbann für Online-Piraten
Der französische Präsident plant harsche neue Regeln gegen die Online-Piraterie: Wer künftig dreimal beim Filesharing erwischt wird, soll vom Internet ausgeschlossen werden.
BERLIN taz Nicholas Sarkozy ist als Freund der großen Medienkonzerne bekannt - und dementsprechend bemüht um ihre Sorgen und Nöte. Schon im Wahlkampf um das französische Präsidentenamt hatte der konservative Politiker sich dafür ausgesprochen, dass Urheberrechtsverletzungen im Internet künftig verschärft geahndet werden müssten. Sein Vorschlag zum Thema liegt nun auf dem Tisch - ausgearbeitet von einer "unabhängigen" Kommission, deren Vorsitz Denis Olivennes hatte, der Chef von FNAC, dem größten Musik- und Video-Händlers des Landes.
Sollte die neue Regelung so kommen, wie von Olivennes vorgeschlagen, dann drohen notorischen Dateitauschern künftig im eigentlich als Laissez-faire-Online-Land bekannten Frankreich enorm schwere Zeiten. Eine neue Agentur soll künftig in den Daten der Internet-Providern schnüffeln dürfen, um diejenigen Nutzer herauszufinden, deren Download-Leitungen besonders heftig qualmen. Sind die Kunden dann erst einmal als Filesharing-Verwender identifiziert, erhalten sie eine erste Warnung.
Beim zweiten Verstoß wird diese lauter. Und sollte der Delinquent dann immer noch nicht vom illegalen Tauschen lassen, wird ihm der Zugang dann gänzlich gesperrt - zusätzliche Zivil- und Strafverfahren nicht ausgeschlossen.
Der Plan ist nicht nur in seiner weltweit bislang einmaligen Härte bemerkenswert, sondern auch in der Form, wie er zustande kam: Sowohl Medienindustrie als auch Regierung und Internet-Provider wollen laut Olivennes vereint mitziehen - letztere auch gegen ihre eigenen Kunden, die unter anderem auch der Dateitausch zum Erwerb immer schnellerer und teurerer Leitungen treibt.
Olivennes' Hass auf das seiner Meinung nach "piratenverseuchte" Internet ist in Frankreich wohl bekannt: Er selbst schrieb ein Buch mit dem Titel "Frei ist Diebstahl", das in Dateitauschsystemen den Tod der Kultur gekommen sah - durchaus auch deshalb, weil die Piraten seiner Kette FNAC mit illegalen Inhalten scharfe Konkurrenz bereiten und die Umsätze reduzieren. Sarkozy sieht die Lage ähnlich drastisch: "Wir stehen kurz davor, Zeuge einer echten kulturellen Zerstörung zu werden", sagte der Präsident anlässlich der Vorstellung des Plans am Freitag. Das Internet dürfe nicht zu einem "Hightech-Wildwest" verkommen.
Ein kleines Zugeständnis entlockte die Olivennes-Kommission den Medienriesen dann aber doch: Die sollen künftig beispielsweise französische DVDs nicht erst siebeneinhalb Monate nach dem Kinostart in die Läden bringen, sondern bereits nach sechs. Gemunkelt wird außerdem davon, dass die Plattenindustrie den die Nutzer stark nervenden Urheberrechtsschutz (Digital Rights Management, DRM) aufgeben will. Das tut sie aber bereits in anderen Ländern ohne verschärfte Gesetze - etwa der Musikkonzern EMI in Apples Online-Laden iTunes.
Noch ist unklar, ob Sarkozys "Dreimal und Du bist raus"-Regelung wirklich umgesetzt wird. Der Plan müsste zunächst vom französischen Parlament verabschiedet werden, was frühstens nächstes Frühjahr möglich wäre. Auch gibt es selbst in der Partei des Präsidenten Widerstand gegen die neue Filesharing-Gnadenlosigkeit: Die ohne Eingriff von Richtern auszulösende Internet-Sperre hebe die Gleichheit vor dem Gesetz auf, meinten Abgeordnete der konservativen UMP.
Die Medienindustrie dagegen frohlockt. Ein Musikverband nannte den Plan "ambitioniert, nützlich und intelligent". Die Tonträgerlobbybund IFPI hält den Sarkozy-Vorschlag gar für die "wichtigste Initiative im Kampf gegen die Online-Piraterie aller Zeiten". Ungeklärt ist aber noch, welche Daten die Provider genau der neuen Agentur übermitteln werden - und wie sichergestellt werden kann, dass sie auch stimmen.
Um Dateitauscher tatsächlich zweifelsfrei zu identifizieren, müsste man zudem direkt in die Datentransfers hineinschauen - durchaus eine Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses, wie Datenschützer warnen. Die Verbraucherschutzgruppe "UFC Que Choisir" bewertet den Plan denn auch als "äußerst hart, potenziell zerstörerisch für die Freiheit und wirtschaftsfeindlich". Strenge Gesetze gegen Piraterie seien in Frankreich längst vorhanden.
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