Sarkozy will Iren mit Kroatien erpressen: Iren sollen erneut abstimmen
Frankreichs Staatschef stellt EU-Abgeordneten das Programm seiner EU-Ratspräsidentschaft vor. Dublin will er ein weiteres Referendum über EU-Verfassung vorschlagen.
BRÜSSEL taz
Die EU-Abgeordneten hatten sich rausgeputzt für den französischen Staatspräsidenten, der sich gestern direkt vom G-8-Gipfel in Japan nach Straßburg einfliegen ließ. Er kam, um das Programm seiner sechsmonatigen Ratspräsidentschaft zu präsentieren. Während sich die grüne Abgeordnete Rebecca Harms ein "Atomkraft - nein danke!"-T-Shirt aus ihrer Aktivistinnenzeit in Gorleben übergezogen hatte, trug Daniel Cohn-Bendit ein schwarzes Shirt, auf dem die olympischen Ringe aus fünf Handschellen bestanden.
Doch die meisten Redner gingen recht freundlich mit dem Mann um, vor dessen Geltungsbedürfnis und Teamunfähigkeit sie oft gewarnt hatten. In klaren Worten beschrieb Sarkozy seine Pläne für die kommenden sechs Monate. Frankreich habe die nun entstandene Vertragskrise durch sein negatives Verfassungsreferendum mit verschuldet. "Institutionelle Fragen sind eine Angelegenheit fürs Parlament und sollten nicht Gegenstand eines Referendums sein", kritisierte Sarkozy seinen Vorgänger Jacques Chirac. Am 21. Juli werde er nach Irland reisen und mit der dortigen Regierung "nach Lösungen" suchen. "Am jetzigen Vertrag werde aber festgehalten, eine neue Regierungskonferenz werde es nicht geben. Den Fehler, die EU zu erweitern, ohne die Strukturen vorher anzupassen, dürfe Europa kein zweites Mal machen. "Ich bin für die Erweiterung Richtung Balkan, für die Aufnahme Kroatiens und Serbiens. Aber es geht nicht, dass die erweiterungsfreudigsten Länder die EU-Reform blockieren."
Damit deutet Sarkozy den Lösungsweg an, den er der irischen Regierung wohl vorschlagen wird: Ein neues Referendum, in dem die Vertragsfrage mit der Bereitschaft verknüpft wird, Kroatien in die EU aufzunehmen. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Iren ihren Groll gegen Europa begraben werden, wenn das Schicksal eines anderen Landes davon abhängt.
Sarkozys Ankündigung, an der Eröffnungsfeier der Olympiade in Peking teilnehmen zu wollen, kritisierten mehrere Abgeordnete scharf. Mit von Emotion geschüttelter Stimme rief der grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit dem französischen Präsidenten zu: "Wenn Sie ihre Memoiren schreiben, werden Sie bereuen, was Sie getan haben. Die Schreie der Geknechteten in ihren Kerkern werden Sie nicht mehr loslassen!"
Sarkozy erwiderte, er respektiere die Emotionen "des Präsidenten Cohn-Bendit". Auch ihm gehe es um die Menschenrechte. Es sei aber auch nicht illegitim, als Staatschef die ökonomischen Interessen seines Landes zu vertreten. "Ich glaube außerdem nicht, dass wir zu einem Dialog kommen, wenn wir China demütigen." Graham Watson, der Chef der liberalen Fraktion, habe ihn aufgefordert, in dieser Frage Gemeinschaftssinn und Führungsstärke zu zeigen. "Genau das tue ich. Alle 26 Staatschefs haben mir das Mandat erteilt, nach China zu reisen."
Ebenjenem Graham Watson gelang es, mit der Bitte um "sechzig kleine Sekunden für eine letzte Redeminute" das Lächeln eines verlegenen Pennälers auf das Gesicht des Ratspräsidenten zu zaubern. Die Worte stammen aus einem Chanson von Carla Bruni und entzückten Sarkozy so sehr, dass er versprach, seine Frau werde ihre nächste CD dem Fraktionschef der Liberalen widmen. Eine Bestätigung der Präsidentengattin steht noch aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!