Sarkozy stellt sich der Presse: "Die Sache mit Carla ist ernst"
Erneut benutzt Frankreichs Präsident Sarkozy sein Privatleben, um von anderen Themen abzulenken. Zu seiner Beziehung äußert er sich, seinen Banlieue-Plan verschiebt er abermals.
PARIS taz Eine Hochzeit mit "Carla", eine "Zivilisationspolitik" für Frankreich und Europa und die restlose Abschaffung der 35-Stunden-Woche: Das sind die Projekte von Nicolas Sarkozy für 2008. Vor 600 JournalistInnen aus aller Welt sowie der komplett versammelten französischen Regierung hielt der Präsident gestern Vormittag im Festsaal des Elysée-Palastes eine einstündige Rede. Dann stellte er sich eineinhalb Dutzend Fragen, die er je nach Inhalt launisch, selbstbeweihräuchernd oder aggressiv beantwortete. Zu der sinkenden Kaufkraft - der Hauptsorge seiner von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhnen und stagnierendem Wachstum geplagten Landsleute - sagte Sarkozy: "Ich kann kein Geld aus leeren Kassen holen."
"Pressekonferenz" lautete der Titel des 130-minütigen Spektakels, das der öffentliche Fernsehsender France 2 live übertrug. Sieben Monate nach der Präsidentenwahl war es die erste Übung dieser Art von Sarkozy im Elysée-Palast. Künftig will er jährlich "zwei oder drei" Pressekonferenzen veranstalten, sagte Sarkozy gestern. Sein Vorgänger Chirac hatte während seiner zwölfjährigen Amtszeit lediglich vier Pressekonferenzen gegeben. Frühere Präsidenten - allen voran Mitterrand und de Gaulle - zelebrierten legendäre Pressekonferenzen zwischen den goldverstuckten Wänden und schweren Samtgardinen ihres Palastes.
Sarkozy gab sich in gewohnt kämpferischer Form. Er trat vor einem strahlend blauen Hintergrund auf, gestikulierte mit seinem ganzen Körper und warb für seine Politik. Er ließ seinen Kopf unablässig vor und zurück, nach rechts und links schnellen. Grinste mal schelmisch, mal boshaft. Und wiederholte Schlüsselbegriffe aus seinem Wahlkampf. Insbesondere die Hinweise auf die "kulturelle Revolution", den "Bruch" und die "Veränderung" der Politik, die er betreibe, sowie auf den jahrzehntelangen Stillstand, in dem sich Frankreich befunden habe, bevor er an die Macht kam.
Erstmals in der Geschichte der Fünften Republik sprach gestern ein Präsident über sein Privatleben. "Die Sache mit Carla ist ernst", sagte Sarkozy über seine Beziehung zu Exmannequin und Sängerin Carla Bruni. Ein Hochzeitsdatum wollte er nicht nennen: "Das erfahren Sie vermutlich erst hinterher", sagte er. Dann pries er seine eigene Offenheit als Kontrast zu der Heuchelei von Amtsvorgängern, die ihr Doppelleben vor der Öffentlichkeit geheimgehalten haben. Tatsächlich benutzt Sarkozy sein Privatleben als politische Waffe, um von anderen Themen abzulenken. Seine Scheidung gab er am Tag des ersten großen Streiks gegen seine Politik bekannt. Und seinen ersten öffentlichen Auftritt mit der neuen Geliebten hatte er kurz nach dem Debakel des Gaddafi-Besuches in Paris, der selbst im politischen Lager des Präsidenten auf Kritik stieß.
Die Hochzeitsankündigung ohne Termin blieb eine der wenigen konkreten Aussagen. Außerdem verschob Sarkozy gestern die bereits mehrfach verschobene Ankündigung des Banlieu-Plans, der Antworten auf die miserable Wohn- und soziale Lage von Millionen von FranzösInnen bieten soll, auf "Anfang Februar".
Das Ende der 35-Stunden-Woche beendet lediglich eine lang angekündigte Aushöhlung der zentralen Arbeitszeitreform der verflossenen rot-rosa-grünen Regierung. Damit wird es in Frankreich bald keine gesetzlich festgelegte Arbeitszeit mehr geben. Auch die Lebensarbeitszeit will Sarkozy zum Ende hin öffnen. Nach seinem gestern geäußerten Willen soll auch der Rentenbeginn künftig flexibel sein.
Festgelegt, aber "transparent" will Sarkozy hingegen die Einwanderungspolitik gestalten. Künftig soll das Parlament jedes Jahr neu über die "Einwanderungsquoten" debattieren.
DOTOTHEA HAHN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!