Sarah Wiener Die Zutat: O brennendes,süßes Verlangen
Es gibt in meinem Bekanntenkreis niemanden, der sie nicht mag: die Gewürznelke. Ihren Namen verdankt sie dem mittelniederdeutschen Wort „negelken“, das so viel wie kleines Nägelchen bedeutet und so an die Form ihrer Knospen erinnert. Symbolträchtig wurden die Früchte im Mittelalter als Nägel der Passion Christi interpretiert. Mit der Nelke aus dem Blumenladen hat sie bis auf den Namen nichts gemein – sie ist ein Myrtengewächs, das ursprünglich auf den Gewürzinseln beheimatet war.
Die Gewürznelke hat eine lange Tradition als Heilmittel. Besonders die Knospe soll wegen ihres hohen Anteils des ätherischen Öls Eugenol helfen, etwa gegen Magenprobleme. Ich nutze Nelkenöl wegen seiner betäubenden Wirkung gegen Zahnschmerzen – ein Arzt muss dann natürlich trotzdem ran. Im alten China dienten Gewürznelken als Vorgängerin des Kaugummis. Angeblich sollen sich die Diener dem Kaiser von China nur mit einer Nelke im Mund haben nähern dürfen, damit dieser nicht von ihrem Mundgeruch belästigt würde.
Die Nelke schmeckt leicht brennend und zugleich lieblich und erinnert an Eukalyptus. Sie kommt in jeder großen Küche vor, oft in Kombination mit anderen Gewürzen, etwa Ingwer, Kardamom oder Zimt, und ist in Gewürzmischungen aus aller Welt ein geschmackstragender Teil: ob im indischen Garam Masala, den französischen Quatre-épices, dem chinesischen 5-Gewürze-Pulver oder dem ostafrikanischen Berbere.
Gute Gewürznelken sind noch etwas ölig, wenn man sie andrückt, und haben noch ihr Köpfchen. Die Qualität von Nelken überprüft man am besten mit dem Schwimmtest: Schwimmen sie mit dem Köpfchen oben, enthalten sie noch ausreichend Öle. Wenn nicht, hat der Geschmack schon nachgelassen.
Ich schätze die Nelke beim Kochen und Backen. Wegen ihrer pikanten, herb-süßlichen Note nutze ich sie als Begleiterin zu allen Kohl- und Wildgerichten – aber genauso für Süßspeisen, auch außerhalb der Weihnachtszeit. Etwa in Kaffee- und Karamellcrémes, bei Linzer Torte und im Schokoladenmousse.
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor. Heute: die Gewürznelke
Für ein unkompliziertes, aber besonderes Adventsessen empfehle ich, ein Stück Schweineschulter mit Salz, Pfeffer und Thymian einzureiben und dann im Bräter anzubraten. Etwas Orangensaft, Fond und einige Gewürznelken hinzugeben. Alles eine gute Stunde im Ofen braten. Der Sud kann mit weiteren Gewürzen und Cointreau abgeschmeckt und als Sauce gereicht werden.
Und wer es noch etwas weihnachtlicher und nelkiger mag, backt für den Nachtisch noch einen köstlich duftenden Honigkuchen: hierfür ein Ei, 250 g Honig, 1,5 Tassen Zucker, 2,5 Tassen Mehl, etwas Backpulver, 1/2 Tasse Milch mit je 1/2 Esslöffel frisch gemahlenem Zimt und Nelken vermischen und 30 Minuten bei 150 Grad im Backofen garen. Da kommt die winterliche Stimmung von selbst!
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