Sarah Wiener Die Zutat: Mit dem Alter kommt die milde Süße
Man mag sie oder man mag sie nicht: die Johannisbeeren, die gerade jetzt, nur ungefähr sechs Wochen im Jahr, an den Sträuchern hängen. Die Schweizer nennen sie Meertrübeli, wir Ösis sagen Ribisel, abgeleitet vom lateinischen Namen ribes. Johannisbeere trifft es aber auch gut, weil die Beeren immer um St. Johanni, also dem 24. Juno, reif werden – ohnehin ein wichtiger Tag in der Natur. Dann fängt das heilwirksame Johanniskraut zu blühen an und die Bienen haben die Klimax ihres Jahreszyklus erreicht.
Man unterscheidet weiße, rote und schwarze Johannisbeeren. Während die roten süßsäuerlich im Geschmack daherkommen, sind die schwarzen kräftig, herb, im reifen Zustand süß, im Farbton gedeckt, eher stumpf. Mit Zucker vermischt, als Marmelade, Creme, Gelee oder Saft verarbeitet haben sie alle Suchtpotenzial. Durch ihren natürlichen Gehalt am Geliermittel Pektin gelingen auch dem Anfänger leuchtend rote oder schwarze Marmeladen zum Angeben.
Aber die Beeren können noch viel mehr. Sie sind wahres Superfood! Vor allen Dingen die schwarzen haben es in sich: Sie enthalten ungefähr dreimal so viel Vitamin C wie Zitronen. Schon vier, fünf Beerenrispen decken den Tagesbedarf. Auch Kalzium, Phosphor, Vitamin A, Eisen und Ballaststoffe bringen sie mit, ferner viele Flavonoide und sekundäre Pflanzenstoffe, die dem Immunsystem helfen und schädliche Zellen neutralisieren können.
Leider halten sich Johannisbeeren nicht lange. Sie sollten deshalb auf einem leicht feuchten Tuch ausgebreitet und erst gewaschen werden, wenn es ans Essen oder Verarbeiten geht – und zwar bevor die Beeren mit einer Gabel von den Rispen gezupft werden. Sonst tritt zu viel Wasser in die Früchte.
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor. Heute: die Johannisbeere
Zum Sauren der Johannisbeere passt das Süße sehr gut, also Quarkspeisen, Baiserkuchen oder Eis. Ich zupfe die Früchte auch gern auf einen Sandkuchen oder benutze Ribiselmarmelade zwischen Kuchenteig und süßem Topping, um den Kuchen oder die Torte nicht allzu süß werden zu lassen. Man kann auch Chutneys und exotische Saucen aus ihnen herstellen, als Beilage zu Wild, kaltem Braten oder Käse. Johannisbeeren vertragen sich gut mit Zimt, Lorbeer, Pfeffer und Ingwer. Wer Mühe mit dem intensiven Geschmack hat, dem empfehle ich, fast überreife Früchte zu probieren. Da wird das Herb-Säuerliche ganz mild-süß und gezähmt. Wie schön wäre es, ginge es uns im Alter auch so wie den Johannisbeeren!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen