Sanssouci: Vorschlag
■ Die Botschaft e.V.: Museum für Geschichte
Museum, das ist die Erfindung der Vergangenheit, institutionell organisiert, strukturiert und hierarchisiert als ein kollektiv angenommenes, kulturelles Gedächtnis. Deshalb kann es in keinem Fall sein, was das Museum für Geschichte ist, besser war: flüchtig, vergänglich, kurzlebig. So können wir nur noch im Nachschlag dessen Verlaufsspuren rekonstruieren. Ganz der Erfindung der Berliner Gegenwart verpflichtet, legten zwischen August und September sieben Künstler und Künstlerinnen jeweils für eine Woche ein Modellarchiv an, gestaltet je nach ihren eigenen ästhetischen und narrativen Dokumentationsvorstellungen. So kurz die Spanne der jeweiligen Ausstellung war, so knüpfte sie doch an die vorangegangenen an, verlängerte diese und transportierte sie weiter in Ausschnitten, Fragmenten, Souvenirs. Am Ende stand das Ziel einer Erzählung über das Erzählen.
Die im Museum für Geschichte im „Frisör“ der Botschaft e.V. gezeigten Sammlungen und Eine-Woche-Archive bestanden etwa aus Spickzetteln, mit denen Wolfgang Müller die Museumseröffnung machte. Dreißig ausgewählte Stücke wurden gezeigt; französische Vokabeln wie mathematische Formeln und Sachverhalte der Biologie waren auf – notwendigerweise – Kleinformaten zu begutachten. Unaufwendig sah sich der Besucher mit eigenen archivierten Schulängsten und listigen Überlebensstrategien konfrontiert.
Fritz Balthaus zeigte die im Weather-o-mat des Restaurationszentrums Düsseldorf künstlichen Alterungsprozessen unterzogenen Kunstwerke von Yves Klein, Mondrian, Rothko und Graupner. Identische Abbilder der Originalwerke dienen einer probeweisen Restaurierung von Messerstichen, Kondensmilchflecken und Altersakrales. Gegenüber den Klassikern hängte Balthaus eigene Sprühdosen-Werke, die sogenannten „Frühschwundrisse“, die es bei Mondrian zu beheben gilt, industriell simuliert und präfabriziert auf den Untergrundnebeln. „Crackling finish“: die dekorative Plötzlichkeit des wertvoll geltenden Alterns. Bettina Allamodas Performance/Happening um die „Taube von Archytax“ galt einem der ersten Experimente mit Flugkörpern aus der Zeit um 2300 vor Christus.
Vorträge ergänzten die Archivierungen, so Peter Bextes grammatologische Erkundungen des Futur II. Im Modus daran anknüpfend: Um im Nachschlag einen Vorschlag zu machen, am 30./31. Oktober wird die Lesung des Merve-Verlags „Periphere Museen in Berlin“ gewesen sein. Damit das Museum für Geschichte nicht völlig peripher im Plusquamperfekt eines „war gewesen“ endet, archiviert Harald Fricke Interviews, Vorträge und weitere dokumentierende Texte des Museums auf MacIntosh Classic. Brigitte Werneburg
„Periphere Museen in Berlin“, Museum für Geschichte im Frisör der Botschaft e.V., Kronenstraße 3, Berlin-Mitte, 30./31. Oktober, 20 Uhr
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