Sanssouci: Nachschlag
■ Liebe, Tod und Tango im Hebbel-Theater
Ungerecht ist die Welt. Das Hans Otto Theater in Potsdam hat doch wohl schon genug Sorgen mit sich selbst, seiner Vergangenheit, dem Geld, dem Publikum. Wilhelm Dieter Siebert hat da gerade noch gefehlt. Der Mann hat bei Wolfgang Fortner studiert, Komposition, sagt er selber, dann folgten „Experimente mit Jazz und elektronischer Musik“. Auch noch die Gründung einer „Gruppe Neue Musik“ geht auf sein Konto, und wir vermelden hier pflichtschuldigst den Preis, den vor zwei Jahren der internationale Carl-Maria-von-Weber-Wettbewerb in Dresden an Siebert verliehen hat, und zwar für eben jene Oper, mit der sich das Hans Otto Theater nun herumquälen muß. Weil irgendein Intendant das so wollte. „Liebe, Tod und Tango“ heißt das Ding, ein gewisser Michael Fröhling hat das Libretto nach dem Roman „Die Tigerin“ von Walter Serner verfaßt.
Frivol, frivol die Halbwelt damals in Berlin. Gut, daß das Potsdamer Theater damit im Hebbel-Theater gastiert. So werden seine Leiden der Hauptstadt sozusagen hautnah vor Augen geführt. Nur etwa die Hälfte der ohnehin spärlichen Besucher und Besucherinnen kamen nach der Pause wieder. Die anderen haben Solidaritätsaktionen erwogen, die ergriffen werden sollten, um das Ensemble vor weiterer Schmach zu bewahren. Denn in Potsdam arbeiten Sängerinnnen und Sänger, die ihr Handwerk verstehen, die schöne Stimmen besitzen, velleicht keine großen, aber immerhin solche, die Musik verdient hätten. Sie kriegten bloß Siebert, der Serner-Prosa in Töne gesetzt hat. Wenn einer das Glas auf den Tresen haut, schlägt's im Graben, die Liebe kriegt ein langes Schmälzchen in den Geigen, sonst gurgeln die Klarinetten, während das Englischhorn weint. Dazu tragen die Damen Durchsichtiges, die Herren eher Sakkos, und am Ende kommt der Faschismus als Zwerg auf die Bühne. Potsdam, wir nehmen Anteil. Niklaus Hablützel
Noch heute und morgen, Stresemannstraße 22
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