Sanssouci: Vorschlag
■ „Damenwahl“ – Anja Moritz im Mehringhoftheater
Nie wieder wolle sie „auf Aldi-Niveau absinken“, erklärt die gefeuerte Werbetexterin Luzi trotzig, da organisiert sie lieber schunkelschwangere Betriebsfeste für das mittlere Management. Heute abend ist Generalprobe für ihr neuestes Unternehmen: „Damenwahl“ heißt das Motto für die Betriebsfeier der Firma Compatibel, und da soll dann endlich mal so richtig die Luzi abgehen. Ein rauschendes Fest mit Schlangenbeschwörung, Bauchtanz und jede Menge Alt-Herren-Witze hat Herr Lüdinghausen bestellt, aber natürlich kommt es am Ende dann doch ganz anders als gedacht: Das Fest wird zur Katastrophe, die hoffnungsvolle Jungmanagerin verfällt in tiefes Brüten – nur das Publikum im Mehringhof amüsiert sich prächtig über Anja Moritz Solo- Programm, das vor allem die neue Frauenfeindlichkeit der sexuell ach so befreiten Angestellten aufs Korn nimmt. Was von der jung-dynamischen Luzi als Racheschlag der Sekretärinnen an ihren Chefs gedacht war, entpuppt sich nach der Pause als aus den Fugen geratenes Männer-Besäufnis. Ohnmächtig muß die wakkere Heldin dem Lauf der Dinge zusehen – Männeralltag, Frauenschicksal: Grad' wie im richtigen Leben.
Man merkt der „Damenwahl“ an vielen Stellen an, daß nicht nur Anja Moritz, sondern auch Matthias Beltz an der Story gewerkelt hat; die Handschrift des Meisters ist unverkennbar. Das tut dem Programm aber keinen Abbruch, denn die hier vollzogene feministische Wende in der allgemein(gültig)en kabarettistischen Gesellschaftskritik macht Anja Moritz um einiges sehenswerter als den Chef-Zyniker Beltz. Wenn das Kabarett immer noch unter akutem Frauenmangel leidet, dann ist die Hamburgerin Moritz durchaus ein stattlicher Lichtblick.
„Gehen Sie nach Hause und seien Sie einfach mal undankbar“, empfiehlt uns Luzi. Ich empfehle: Gehen Sie mal hin und schauen Sie es sich an. Klaudia Brunst
„Damenwahl“ – bis 14. November Mi–So um 21 Uhr im Mehringhoftheater, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg
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