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SanssouciNachschlag

■ Margot Müller variiert Dario Fo in der Scheinbar

Zimmertheater können etwas sehr Schönes sein. Die Zuschauer sitzen fast mit auf der Bühne; Distanzen zwischen Publikum und Darstellern sind von vornherein reduziert. Daß diese natürliche Bedingung, wenn sie nicht richtig genutzt wird, zum Pferdefuß werden kann, war am letzten Wochenende in der Scheinbar in Schöneberg zu erleben. Dort erzählt Margot Müller satirische Geschichten von Dario Fo. Besser gesagt, sie benutzt Ideen von Fo als Grundlage, um sich selbst zu präsentieren, und offenbar ist sie der Meinung, die Nähe zu den Besuchern erlaube ihr jede mögliche Vereinnahmung.

Schon der Auftritt von Frau Müller befremdet, gelinde gesagt. Wie ein Stehaufmännchen in schwarz-weiß gewürfelten Kochhosen springt sie auf die leere Bühne, starrt mit aufgerissenen Augen und vorgerecktem Hals die wenigen Zuschauer an und ruft ihre Freude über deren Erscheinen in den Raum. Wenn sie jetzt noch fragen würde: „Seid ihr alle daaa?“, man wäre vollends überzeugt, im Kasperletheater gelandet zu sein.

Den erzählten und gespielten Texten bekommt die Bearbeitung durch die Schauspielerin nicht. Die eingefügten Aktualisierungen zerstören den Sprachfluß und rauben ihnen ihren Witz und Sarkasmus. Die vielen Grimassen und Verrenkungen, in die sich die Schauspielerin steigert, degradieren die hintersinnige Erotik eines Dario Fo zu peinlichen Obszönitäten. Wenn sie im ersten Teil zwischen den Füßen der Zuschauer im Dunkeln auf dem Boden herumkriecht, um das entlaufene Mäuschen, die Hauptfigur der gespielten Szene, wiederzufinden, und wie ein quengelndes kleines Mädchen alle auffordert, sie bei der Suche zu unterstützen, erinnert die Szenerie nicht mehr an Kindertheater, sondern gar an eine Krabbelstube.

Die zweite Geschichte des Abends beschreibt einen Vorfall im italienischen Bologna, der sich 1334 tatsächlich ereignet hat. Die Bevölkerung wehrte sich seinerzeit gegen ihren Kardinalerzbischof, indem sie in Ermangelung anderer Waffen das über der Stadt gelegene Kartell zuschiß und so die (Be)Herrscher vertrieb. Margot Müller konzentriert sich in ihrer Erzählung derart auf den kotenen Aspekt dieser Anekdote, vergreift sich dabei immer wieder in ihren Mitteln und biedert sich damit so sehr dem Publikum an, daß jede Freude an der Komik der Story im Ekel vor der braunen Brühe ersaufen muß.

Auf dem Plakat, das für den Abend wirbt, ist zu lesen: Goya: „Der Schlaf der Vernunft erzeugt Ungeheuer.“ Margot Müller hat dem handschriftlich hinzugesetzt: „Der Schlaf der Vernunft erzeugt ungeheuer wenig.“

Ein Abend mit Margot Müller erzeugt Wut. Sibylle Burkert

„Satirische Geschichten von Dario Fo“: Vom 18.-20.12., täglich um 21 Uhr in der Scheinbar, Monumentenstraße 9, Schöneberg

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