Sanssouci: Vorschlag
■ Soweto, auf Leben und Tod – „Wheels and Deals“ im fsk
Die Verhältnisse sind kein Zuckerschlecken während des Umbruchs im Apartheidstaat. Die wirtschaftliche Misere nistet zwischen den Ritzen und Wellblechen des ausufernden Gettos. Seine Bewohner versuchen zu überleben, inmitten alltäglicher Gewalt, hitzigem Rassismus und Kampf um politische Rechte. Korruption und Kolloboration machen sich breit, ohne die es keine schnellen Flitzer gibt, keine Villa in Swaziland, dem Viertel der arrivierten Schwarzen in Südafrika. Der deal, Luxusliner im großen Stil zu verticken, lockt die kleineren Ganoven.
Michael Hammon, 1955 als weißer Südafrikaner geboren, weiß einiges davon. Er hat daraus einen schwarzweißen Film gemacht: „Wheels and Deals“, den die rührenden Kinoenthusiasten vom fsk zeigen. Dem jungen Regisseur, der an der DFFB von 1985 bis 1991 seine Ausbildung absolvierte, gelingt in seiner Abschlußarbeit das Kunststück (Budget: 200.000 Mark!), eine Geschichte unprätentiös und – im wahrsten Wortsinne – spannend mit der Kamera zu erzählen, ohne die Realitäten an eine sentimentale Poesie zu verraten, ohne seine schwarzen Protagonisten zu denunzieren oder sich ihnen in einem verständnisheischenden Jargon anzubiedern.
BT (Sello ke Maake-Neube) ist jung, schlaksig, liebt Autos und Frauen. Er verdingt sich in einer Fabrik. Seine Freunde knacken Golfs, BMWs („be my wife“), frisieren sie um und verdealen sie. Davon läßt sich leben. Als in der Fabrik zwei Arbeiter auf die Straße gesetzt werden, organisiert BT mit der Gewerkschaft einen Streik. Angeheuerte Streikbrecher vermasseln die Chose. BT verliebt sich in Alsina (Kimberleigh Strak), eine schwarze Anwältin, die den Kampf der Gewerkschafter gegen das korrupte Management unterstützt. Er will ihr gefallen. Es wird ihm das Genick brechen. BT verfängt sich zwischen Liebe, tollen Autos und dem großen Geld. Um so schneller treibt es ihn in die Fänge von Shabantu (Dominique Tyawa), der nicht nur als Stadtrat will, das alles auf sein Kommando springt. Mit dem von seinen Männern begangenen Mord an einer weißen Frau bringt Mr. S. den ewig optimistischen BT vollends unter seine Kontrolle. Das Ende ist trostlos. Soweto, auf Leben und Tod.
Hammons Ton ist witzig und ernsthaft. Seine Handkamera rückt den Schauspielern auf den Leib. Dennoch ist ihre körperliche Präsenz nie vordergründig. Wenn die Arbeiter ihre Lohnforderungen skandieren, machen sie Druck durch ihre tänzelnden Körper. Unvorstellbar, wie es wäre, wenn Franz Steinkühlers organisierte Metaller in einen Stakkato-Lohn-Rap verfielen. Hammon, der bei Dietmar Kleins „Erdnußmann“ hinter der Kamera stand, ist hundsbegabt mit Gefühl für kalkuliertes Tempo und Timing. Neunzig Minuten lang verkleistert kein Ethnokitsch die Leinwand. Yvonne Rehhahn
Bis zum 27.1. um 20 Uhr im fsk, Wiener Straße 20
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