Sanssouci: Vorschlag
■ Leni Stern im Quasimodo
Die Gitarristin Leni Stern ist eine „Jazz-Frau“, zumindest wenn es nach den Textern ihrer Plattenfirma geht. Für diese hat sie mit ihrer jüngsten CD „Ten Songs“ den „endgültigen Beweis geliefert, daß sie zu den führenden Frauen im Jazz zählt“. Frauen müssen sich beweisen, und obwohl Leni Stern laut Lipstick Records „als Gitarristin und Komponistin zur absoluten Topklasse zählt“ (warum eigentlich nicht gleich: „absolut erste Sahne ist“), muß im nächsten Satz die Topqualität einer Frau untermauert werden, indem man ihren Ehemann anführt.
Immerhin heißt es im Platteninfo nicht: „Leni Stern, Frau von...“, sondern nur: „Leni Stern, verheiratet mit...“ – eigentlich egal mit wem, oder? Aber es ist ja auch ein „Spitzengitarrist“, erste Sahne der Mann: Mike Stern. Kennse nich? Ist der Mann von...
In der Gazette „Gitarre und Bass“ muß sogar eine Tote herbeizitiert werden, um Leni Stern auf den Olymp der Gitarristinnen zu erheben: „Nach dem tragischen Tod von Emily Remmler kann man von Leni Stern mit Recht als der einzig lebenden Jazzgitarristin sprechen...“
Frau Stern auf die Frage, ob man als Gitarristin einen „Feministinnenbonus“ habe: „Man muß mindestens doppelt so gut wie ein Mann sein. Als Gitarrist (!) trägst du in einer Band eine große Verantwortung, die Frauen nicht zugetraut wird.“ Aber Leni Stern ist guter Hoffnung, daß sich die Zeiten ändern, wenn auch nur sehr langsam: „Mittlerweile fliegen Frauen zum Mond, sind Physiker, da kann ich doch Gitarristin sein.“
Ihre Musik läßt sich wohl am ehesten in der Schublade Fusion- Jazz verstauen. Diese Abteilung, die, gemeinsam mit dem Siebziger „Jazz-Rock“ à la Stanley Clarke, in meiner Plattensammlung immer weiter nach hinten gerutscht ist, steht für Stern scheinbar immer noch ganz oben auf der Liste. In ihrer Schublade liegt der frühe Pat Metheny – vor Entdeckung des Gitarren-Synthies – neben Oregon. Irgendwo ragt die Ecke des blauen Return-To-Forever-Albums von 1972 aus der Kommode, eine blaue Seemöwe fliegt durch Lenis Zimmer.
Manche ihrer neuen „Ten Songs“ klingen aber durchaus auch einfach nach Leni Stern. Wenn dann aber Badal Roy die Tablas anschlägt, wie bei dem 6-Minuten-20-Song „Shooting Star“, dann hat das etwas von fast obszönem Anachronismus. Als wäre die Welt noch wie 1972. Und dann gibt es Titel wie das Stück Nummer 10 „Glass“, auf dem Leni ihre Gitarre wunderhübsch mit Bass und Schlagzeug verknüpft.
Bei ihrem Konzert im Quasimodo wird Stern begleitet von Dennis Chambers, der bei einigen der „Ten Songs“ Schlagzeug spielte. Außerdem: der Saxophonist Bob Malach, der schon bei Alphonse Mouzon, einem weiteren Seventies Veteranen, spielte, und Alain Caron, ein kanadischer Bassist, dessen Spiel mich nun wiederum an den verstorbenen Weather Report Bassisten Jaco Pastorius erinnert. Andreas Becker
Sonntag, 24.1., 22 Uhr im Quasimodo
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