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SanssouciVorschlag

■ Das Archie Shepp Quartett im Quasimodo

Er ist unzweifelhaft einer der treuesten Stars des Kellerclubs in der Kantstraße. Wenn ihn seine Lehrtätigkeit als Professor für Geschichte der Black Music an der Universität von Massachusetts nicht zur Anwesenheit verpflichtet, ist er auf Tour. Praktische Forschung könnte man das nennen.

Spike Lee steckte noch in den Kinderschuhen, als Shepp 1965 mit „Malcom, Malcom Semper Malcom“ seinen Glauben an die Unsterblichkeit von Malcom X musikalisch ausdrückte. „Mama Rose“ machte etwas später dann das Rennen, fast schon ein Sheppscher Evergreen, den er bis heute noch nicht auf das Abstellgleis „Zugabe“ verwiesen hat. Sicher gibt es inzwischen welche, die seinen Namen kennen, ohne je die Musik gehört zu haben – wie auch nicht wenige, die sich enttäuscht von ihm abwandten. Die nämlich, die die zornige Gebärde des jungen Shepp allzugern eingefroren hätten – als die Erinnerung an gute alte Zeiten.

Die waren aber aus Shepps heutiger Sicht eben auch nur ein Anfang. Bewegungen eines Holzklotzes, wie Miles Davis mal über ihn witzelte. Daß Improvisation im Jazz etwas mit Struktur zu tun hat, hätten ihm die älteren Jazzer gewiß schon sagen können. Sie ließen ihn aber erst mal sich die Hörner abstoßen – die Regeln der Musicians' Community sind nun mal so. Dreißig Jahre nach seinem Plattendebüt bei Cecil Taylor hören wir Shepp heute als Archäologen des modernen Jazz. Seine eigenwillige Zitation der schwarzen Saxophontradition von Lester Young bis zu seinem Lehrmeister John Coltrane ist inzwischen klassisch.

Ende der siebziger Jahre begann Shepp, in eindrucksvollen Duo-Einspielungen seine Zeit auszuloten; der sozialutopische Impetus war einstweilen an den Ghettokids ungehört vorbeigedudelt, und die Symbole und Zitate des Nachkriegsjazz konnten gerade noch Experten deuten. Shepp hielt die Jazzuhr an und drehte die Zeiger linksherum. Und drehte und drehte. Bis selbst die Monk-Ballade „Round Midnight“ in einem eigentümlichen Leiersound wiederbelebt – sheppisiert – war.

Inzwischen mag er die Jazzgeschichte durchreist haben, ganz ohne Zeitmaschine. Und bei jedem Konzert bietet er neue musikalische Einblicke in die bewältigt geglaubte Tradition: Jazz als schlicht unendlicher Lernprozeß. Kein HipHop zwar, aber Stoff von dem, was vorher war und dem, was bleiben könnte. Christian Broecking

Noch einmal heute, 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, 1/12 (eine Kritik folgt morgen).

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