Sanssouci: Vorschlag
■ „Sizwe Bansi ist tot“ von Athol Fugard im GRIPSbogen:
Sizwe Bansi ist nicht tot, jedenfalls nicht physisch. Nur offiziell gibt es ihn nicht mehr, sein Name ist aus den Einwohnerlisten verschwunden. Robert Zwelinzima dagegen ist mausetot. Aber offiziell wird er weiterleben, arbeiten, eine Familie ernähren und vorsichtig sein.
Das ist kein absurdes Theaterstück, das der weiße Südafrikaner Athol Fugard da verfaßt hat. Zusammen mit seinen schwarzen Kollegen und Schauspielern John Kani und Winston Ntshona beschreibt er in „Sizwe Bansi ist tot“ das Leben einzelner in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung bis heute brutal unterdrückt wird. Er selber hat es mit Kani und Ntshona 1972 in Kapstadt uraufgeführt und bekam, wie erwartet, einigen Ärger: Zu unverbrämt, detailgenau und ohne ästhetische Schnörkel zu verwenden, kritisiert und analysiert Fugard die Zustände in seinem eigenen Land.
Aber Fugard ist mehr als nur ein spröder politischer Dramatiker. Ihn interessiert die Psychologie seiner Figuren, die in der Regel die Opfer von politischer Willkür sind. In „Sizwe Bansi ist tot“ stellt sich die Aufgabe der eigenen Identität als lebenserhaltende Maßnahme dar. Die Identität verlieren und trotzdem Persönlichkeit bleiben – das hat auch das kleine Ensemble interessiert, das jetzt im GRIPSbogen das Stück aufführt. Die Amerikanerin Kati Koerner hat mit dem schwarzen Deutschen Jean-Claude Mawila und dem Türken Yüksel Yolcu (beides HdK-Schauspielstudenten) eine temporeiche und galgenhumorige Aufführung inszeniert, die viel persönlicher daherkommt, als Fugards Stück das beim Lesen vermuten ließe. Das liegt vor allem an der straffen Kürzung, die zum Besten des unbeholfen gebauten Werkes vorgenommen wurde. Der lange Monolog des Fotografen Styles (Jean-Claude Mawila) zu Beginn des Abends ist so seiner trockenen Ausführlichkeit beraubt. Mawila kann der Figur des geschäftstüchtigen schwarzen Selfmade-Fotografen mehr Raum geben. Er, der mit seiner Arbeit Identitäten sinnbildlich und äußerlich auf Papier festhält, begegnet dem schüchternen Robert Zwelinzima alias Sizwe Bansi (Yüksel Yolcu). In einer Rückblende erzählt Sizwe seine Geschichte: In seinem kleinen Heimatort gibt es keine Arbeit, in der großen Industriestadt erhält er keine Arbeitserlaubnis. Als er nachts über die Leiche des ermordeten Robert Zwelinzima stolpert, entwendet er dessen Papiere mit gültigem Stempel und Recht auf Arbeit. Widerwillig nimmt er die Identität des Toten an. Aber Stolz kann sich ein Mann und Familienvater in seiner Situation nicht leisten – ein bitterer Nachgeschmack auf ein findiges Verwandlungsspiel. Anja Poschen
1., 2., 8.-10. und 21.-24. April im GRIPSbogen, Hansaplatz.
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