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SanssouciNachschlag:

■ "Als ob" - Johannes Jansen las in der Möwe

Wenn er lächelt, während er redet, verkürzt sich der Abstand zwischen linkem Mundwinkel und linkem Nasenflügel des Herrn Jansen beträchtlich. Daß Mundwinkel sich nach oben bewegen beim Lächeln, gehört sich so, daß es aber oft nur des Dichters linker war, irritierte ein bißchen. Johannes Jansen lächelt oft, wenn er erzählt und dabei raucht. Johannes (Hans) Jansen (auch: Jot Jot) ist ein sehr freundlicher Mensch, wenn er plaudert. Wenn man ihn fragt, plaudert er auch vom Prenzlauer Berg, zu dessen Dunstkreis er gehört (hat), und ist gar nicht böse, daß man ihm diese abgedroschenen Fragen stellt (Stasi und wie das Leben da war und so). Vor der Plauderei aber liest er zwei seiner Erzählungen vor, und wenn er liest, lächelt Johannes Jansen nicht, denn Vorlesen ist öffentliche Arbeit. Da sitzt er gespannt auf der Vorderkante des Sessels; das einzige, was sich bewegt, ist die Mundpartie. Er artikuliert sorgsam, für jedes „u“ eine prachtvolle Schnute. Als einen „wichtigen Punkt in der Literaturlandschaft“ hat ihn die Veranstalterin vorgestellt und bedauert, daß sowenig Leute gekommen sind, 15 ungefähr. Die Veranstalterin stört das – Jansen stört es nicht. Er hält Lesungen wie die meisten Dichter ohnehin für seltsame Veranstaltungen (zum Geldverdienen) und findet es schon erstaunlich, „daß da überhaupt wer kommt, bloß um sich anzuhören, daß da wer was vorliest“: Johannes Jansen hat eine Weile in Wien gelebt, wie man hören kann. Es scheint ihm dort gefallen zu haben – sein Alter ego, Koller, hat den gleichen Ton drauf. Das heißt, so genau weiß man nicht, ob es tatsächlich Kollers Ton ist, der da aus Jansens Erzählungen klingt, weil Koller nie selbst redet, sondern immer nur jene Stimme in der dritten Person Singular, dieser Erzähler, der von Koller erzählt und mit Füllfloskeln („angeblich“ oder „um genau zu sein“) den ganzen Text verunsichert und sich ansonsten bedeckt hält. Dieser Erzähler macht ständig den gleichen grammatischen Fehler, wenn er Kollers Reden wiedergibt: Er sagt nicht „habe“, wenn Koller „hat“ gesagt hat, sondern gegen alle geltenden Regeln zur indirekten Rede immer „hätte“. Das hat natürlich Methode, denn der Sechs-Koller-Geschichten-Zyklus von Johannes Jansen wird, wenn er fertig ist, „Als ob“ heißen. Wegen der Verunsicherung. Denn Koller ist tatsächlich unsicher, weil Koller ein Dichter ist, der ein Buch schreiben will, sein Buch, „schließlich will man ja was haben davon, daß man mal da war“. Ob das Buch fertig wird, weiß man nicht, denn es handelt sich bei den Koller- Geschichten um solche, die sich „darum drehen, was man so schlechthin Scheitern nennt“, sagt Jansen, der da sitzt und seine Lesevorstellung gibt: 26 Jahre alt, in schwarzen Kleidern bis unter die Halskrause, mit Bügelfaltenhose und Jackett, auf den ersten Blick sieht er aus wie ein sehr ernsthafter Pennäler, aber so spricht er nicht, seine Erzählungen klingen nicht so, und außerdem lächelt er eben sehr oft, wenn er erzählt, ohne vorzulesen. Friederike Freier

Johannes Jansen ist auch Graphiker, seine Arbeiten sind bis zum 11. April in der „Möwe“, Luisenstraße 18, zu sehen.

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