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SanssouciVorschlag

■ Das japanische Trio Shonen Knife im Loft

In der Einfachheit liegt sehr oft die Genialität verborgen. Aber wie viele Schichten bis dahin freigelegt werden können, machen erst Shonen Knife letztgültig klar. Das Trio aus dem japanischen Osaka singt ein solch auf das Nötigste reduziertes Englisch, daß selbst Unbegabte mit dem Schulwissen und ohne den Langenscheidt jedes Wort verstehen können. Trotzdem werden jene die Menschheit beherrschenden Themen allesamt abgehandelt. Ökologie in „Cycling is Fun“: „I want to go I want to go to/ The green fields with you baby/ C'mon let's go wo wo wo.../ Riding on a bicycle together“. Identitätskrise in „I Am A Cat“: „Sometimes I feel like I'm in the milky way/ And I lose myself/ And I don't know who I am“. Sammlerleidenschaft in „Insect Collector“: „Just before bedtime one more look and she's happy/ Insect collecting is a hobby few can share“. Welternährung in „Flying Jelly Attack“: „I'm gonna eat jelly, jelly, jelly, jelly, jelly, jelly, jelly, jelly beans/ I'm gonna eat cherry, cherry, cherry, cherry drops“. Tierschutz in „Bear Up Bison“: „We're only making plans for da da dirty bison/ We don't like him so much, 'cause he's very ug-ug-ugly“.

Dabei korrespondiert bei den drei Frauen von Shonen Knife der verbale Ausdruck auf das wunderlichste mit dem musikalischen. Die Gitarrenriffs, aus denen die Songs bestehen, sind so einfach, das sie unweigerlich geklaut klingen. Oberstes Prinzip ist außerdem, nie mehr als eines pro Lied zu verwenden. Der Rhythmus ist streng 4/4, das Tempo nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell. Besondere Effekte sind auf der ersten LP: einmal irgendwie asiatische Melodieführung, einmal Trommeln und einmal Fahrradklingeln. Ihren japanischen Akzent pflegen die drei ausführlich, mal singen sie einzeln, mal auch im Chor – das ist dann sehr, sehr lieblich.

Wer vor Shonen Knife behauptet hätte, die unweigerlich bemühten Ramones könnten an Simplizität noch untertroffen werden, hätte sich ein überzeugtes „Lügner“ gefallen lassen müssen. Nach Shonen Knife ist nichts mehr, wie es vorher war. Die New Yorker verhalten sich zu den Japanerinnen ungefähr so wie der große Stern zur Verkehrsinsel um die Ecke: Wesentlich komplizierter, aber nur fast so gefährlich. Thomas Winkler

Heute um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

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