Sanssouci: Nachschlag
■ Marikke Heinz-Hoek, Melanie Clifford und Sylvia Bossu im Künstlerhaus Bethanien
Im Künstlerhaus Bethanien herrscht mehr oder minder gähnende Leere, wenn man durch die Studios irrt. Bei Melanie Clifford steht ein vereinsamtes Kofferradio an der Wand, aus dem der Sound einer Bigband krächzt, gegenüber liegen zwei kryptische Betonpfähle auf dem Fußboden; im Nebenraum hört man aus zwei Ghettoblastern mit jeweils acht Lautsprechern regelmäßig anschwellenden Böller- und Raketenlärm dröhnen, von Sylvia Bossu installiert. Auf dem Flur, der die beiden Räume verbindet, hängen Marikke Heinz-Hoeks bedruckte Transparente mit ausgesuchten Computerfehlern, die sich am Ende des Ganges hervorragend mit überdimensionierten Scherenschnitten von Fliegenbeinen vereinen.
Leere zum Schein: Clifford beschäftigt sich in ihrer Installation mit einem oberflächlichen Sehen, das lediglich aufschnappt, wahrnimmt und selektiert, aber nichts entdeckt. Sie hat ihren Ausstellungsraum mit einem Netz aus feinen Nebensächlichkeiten durchzogen, die genau jene leere Transparenz in Frage stellen, durch die sich Minimal Art sonst entlädt. Vor die Fensterfront sind 18 hauchdünne Schnüre aus blondem Kunsthaar gespannt, die nicht einmal dann auffallen, wenn man direkt vor ihnen steht. Erst in dem schräg einfallenden Tageslicht erkennt man ein schwaches, beinahe immaterielles Glitzern.
Mit dem sonor knarrenden Lärm vom Sylvesterfeuerwerk, den Sylvia Bossu in zwei Glasvitrinen eingesperrt hat, ergeht es dem Betrachter ähnlich. Die Arbeit „In the Middle of Nowhere“ hält in einer akustischen Zeitschleife den Moment der oft beschworenen Apparition fest, wobei das Feuerwerk seinen Reiz aus dem Verlöschen der Phänomene bezieht. Die von Paul Valéry gelobte Scheinhaftigkeit wird als akustisches Bild zu einem unentwegten Impuls, dessen Quelle Bossu zugleich über die Apparatur vergegenständlicht. Der Kassettenrekorder umhüllt den Klang nicht mit einem durch Form hinzugefügten Geheimnis wie bei Rolf Julius – er verweist allein auf die Übertragung des akustischen Prozesses.
Nur die „Errors“, die Marikke Heinz-Hoek auf dem Flur ausstellt, sind im Einvernehmen mit dem Raumempfinden arrangiert und schmiegen sich der Architektur so stark an, daß sie vor dem Auge verschwinden, sobald man ihre Bildstruktur erkannt hat. Als ornamentale Reihen gelesen, bauen sie damit allerdings genau auf jene präfabrizierte Harmonie, die sich an der Schwelle zum Verschwinden einstellt: Die Ordnung des Raumes erscheint dann fast vollständig im Abbild aufgelöst. Harald Fricke
Alle Ausstellungen noch bis zum 1.August, im Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2, Di-So, 14-19 Uhr.
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