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SanssouciVorschlag

■ Die Lust der Götter – eine Ausstellung im Schwulen Museum

War Michelangelo schwul? Wenn ja, sieht man dies seinen Werken an? Diesen und ähnlichen Fragen widmet sich eine Ausstellung mit dem etwas schwülstigen Titel: „Die Lust der Götter – Homosexualität in der Kunst der italienischen Renaissance“. Anhand dreier Künstler – Donatello, Michelangelo und Carravaggio – soll verdeutlicht werden, daß die berühmtesten Kunstwerke des Abendlandes nicht zuletzt eine Auseinandersetzung um die eigenen, „andersartigen“ sexuellen Vorlieben beinhalten. Donatello, einer der größten Bildhauer aller Zeiten, hatte als Lieblingskünstler des allmächtigen Cosimo de Medici ein verhältnismäßig leichtes Spiel. Und sein „David“ einen auffallend schönen Po – was von der Kunstgeschichte bislang geflissentlich übersehen wurde.

Stand auf „Sodomie“ im 14. Jahrhundert noch die Todesstrafe, brachte das wiedererwachte allgemeine Interesse an der Antike eine gewisse Freizügigkeit mit sich. Reiche Kaufleute wie Agostino Ghigi ließen sich Paläste bauen, die sie mit vielfältigen Anspielungen auf homosexuelle Liebe ausstatteten. Über die Päpste Leo X. und Julius II. wird berichtet, daß sie bis ins hohe Alter der Knabenliebe frönten.

Michelangelo hatte da schon mehr Schwierigkeiten. Zwar ist sein „sterbender Sklave“ eher ein lasziv hingestreckter, gut gebauter junger Mann. Doch bereits kurz darauf wurde er von seinen Auftraggebern dazu angehalten, den Allerwertesten des ansonsten splitternackten Helden der Figurengruppe „Vittoria“ schamhaft zu bedecken. Wenige Jahre später hätte Papst Paul IV. beinahe Michelangelos Sixtinische Kapelle zerstören lassen, weil er sich an den dort versammelten „Nuditäten“ störte. Nur der Respekt vor dem greisen Malergenie hielt ihn davon ab – allerdings nur für kurze Zeit. Dann verdiente sich Daniele da Volterra den Ruf des „Unterhosenmalers“. Mit der Gegenreformation begann die alte Barbarei aufzuleben. Wie phantasievoll die Hüter der christlichen Moral dabei vorgingen, beweist die orale, anale oder vaginale „Birne“, eine Art Dübel, der Schwulen, Ketzern und Frauen, „die mit dem Teufel geschlafen“ hatten, in die verschiedenen Körperöffnungen gedreht wurde.

Als Carravaggio um 1600 noch einmal mehr oder minder unverhohlen die homosexuelle Liebe feierte, hatte die Reaktion längst Oberhand gewonnen. Dabei gingen nicht alle Künstler mit dem Thema so humorvoll um wie Rembrandt, der Ganymed, den von Zeus geraubten Liebling der Götter – ein alter Topos schwuler Liebe –, als vor Schreck Wasser lassenden Säugling malte. Die Ausstellung im Schwulen Museum ist vor allem als Dokumentation gedacht und erfordert daher einiges an Abstraktionsvermögen und Lesebereitschaft. Eine Unmenge von Bildbeispielen und langen Texttafeln macht einen Besuch zu einem recht trockenen Vergnügen, das jedoch durch ein paar Stilblüten, die der aufklärerische Anspruch mit in die Ausstellung geschmuggelt hat, aufgelockert wird.

Dem Publikumszuspruch tut das ohnehin keinen Abbruch. „Die Lust der Götter“ ist schon jetzt die erfolgreichste Ausstellung seit dem Bestehen des Museums am Mehringdamm. Ulrich Clewing

Noch bis zum 29.8., Mi.–Fr. 14–18 Uhr, im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, Kreuzberg.

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