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SanssouciVorschlag

■ „Ich, Seemann ohne See“ – Markus Völlenklee im BKA

Foto: Thomas Seufert/Sequenz

Der Schauspieler ohne Schauspielhaus spielt einen Seemann ohne See, der ins Bühnenfach wechselte. Der Ex-Schiller- Theater-Schauspieler Markus Völlenklee spielt unter der Regie der langjährigen Thalbach-Besson-Regieassistentin Wenka von Mikulicz in deutscher Erstaufführung ein Stück von Besson-Lebensgefährtin Coline Serreau. Die Zeichen stehen auf Sturmtief. Ein Seemann ohne See: eine sphärische Störung per se. Just dieser Seemann will sich nun auf der Theaterbühne zum Schutz gegen heftige Lebensböen unterstellen. Aber ach: Im Schlingerkurs spielt er sich um sein Engagement, „weil, was ich Ihnen vorher geboten habe, gehört sich nicht. So führt man sich nicht auf, auf dem Theater.“ Wahrlich: „Kein Plan, keine ausgearbeitete Figur, kein Thema“, schon gar kein frohstimmendes, nur Zweifel und Tristesse, so das Urteil seiner Direktion (Stimme: Ruth Drexel). Und so nimmt die absurde Eruption ihren Lauf: Markus Völlenklee wabert als fleischig-„nackter“ Stoffklotz mit wurstigem Männerstolz auf die Bühne, gepeinigt von einem schrecklichen Überalp. Ängstlich und schweißnaß zupft er an seinem „Spielzeug“, die Mama und den Mutterschoß-Schiffsbauch im Hirn. So allein. So „abgetrennt“. Oder doch nicht? „Ich höre, was sie denken, antworten sie mir doch im Kopf“, droht er den Zuschauern – und bricht das Zwiegespräch mit der „freundlichen Dame“ ab, da es doch die anderen Anwesenden langweilen könnte. Er taucht nach dem WARUM, dem WIE und WOHER, aber ein Seemann hat lustig zu sein, und darum gibt er – oh Volkstheater! – den karnevalistischen Clown und zappt sich selbst im Parforceritt vom Schweinewixer zum Pfaffe, Kommunistenführer und in die Rolle der distinguierten Bürgerin und schrulligen Greisin. „Leider, leider“ (die Theaterdirektion hebt den Finger) hat er dabei unwillkürlich immer Tod und Krankheit auf den Lippen. Gehört sich ja wirklich nicht! Also nimmt sich der Seemann- Schauspieler „bei Fuß“ – und stolpert doch wieder über selbigen. Von der Bühne (des Lebens?) gefeuert, suhlt er sich in der Gischt süßen Müßiggangs und im Wellental des großen Elends. Bis zum bitteren Ende, bis er am Ufer sitzt, ausgetrocknet von Zwang, Denkverbot und Verformung.

Völlenklee – und das läßt sich trotz der ausgeleierten Formulierung nicht anders sagen – zieht bei wunderbarer Regievorgabe wonnig-trist alle Register. Petra Brändle

Bis 23.1., Mi-So, 20 Uhr, BKA, Mehringdamm 34, Kreuzberg.

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