Sanssouci: Vorschlag
■ "Bildersammlung" von Aby Warburg in Zeiss-Großplanetarium
1987 im Hamburger Planetarium wiederentdeckt, konnte die 1929 von dem Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg zusammengestellte „Bilderausstellung zur Geschichte und Psychologie der menschlichen Orientierung im Kosmos“ erstmals 1993 in der Wiener Akademie der Künste gezeigt werden. Sie ist nun, auf dem Weg zurück an den ursprünglichen Ausstellungsort, dem Hamburger Wasserturm, auch in Berlin zu sehen.
Warburg, der mit der Mythenforschung vertraut war, interessierte sich für die Astrologie, die seit der Antike einen wesentlichen Einfluß auf die Überlieferung mythenbildender Phantasien in der Kunst hatte. Er entdeckte Archetypen, die sich über die Jahrhunderte, vom Süden in den Norden kontinuierlich der Vorstellungswelt der jeweiligen Kulturen anpaßten. Warburg verstand den Archetypus nicht im Sinne C.G. Jungs, sondern als ein Bild, welches identisch mit der Gestalt war, die ihr der Mythos verliehen hatte. Er erkannte dabei die Bedeutung der astrologisch-kosmologischen Vorstellungen für die Bilderwelt der Renaissance, die sich unter anderem durch die gleichzeitige Verwendung heidnischer und christlicher Götter und Symbole manifestierte. Warburg stellte ein Phänomen vor allem der europäischen Kultur fest: die Bipolarität zwischen Magie und Logik. Dieses „Doppelantlitz“ zeigte er anhand von knapp kommentierten Bildtafeln und Plastiken, die er chronologisch anordnete: Beispiele von den primitiven Völkern, Babylonien, Ägypten und Griechenland, von den Arabern und deren Einfluß auf das christliche Mittelalter und die Renaissance sowie Bilder von Dürer und Luther. Kepler bildete den Abschluß der Ausstellung, da dieser den Schritt zur Astronomie, der „rechnerischen Sternenkunde“, vollzogen hatte. Die meisten Exponate waren Reproduktionen, Faksimiles und Gipsabgüsse, was Warburg mit der Verfügbarkeit der geographisch und konservatorisch schlecht zugänglichen Ausstellungsstücke rechtfertigte. Auch in der Kopie sah er einen „Erziehungswert“, womit die didaktische Intention der Ausstellung genannt ist: die Befreiung von der Zauberkraft der Gestirne hin zu einem von Vernunft geprägten Denken.
Im Zeiss-Großplanetarium kann man sich nun wie Warburg (laut einer Tagebucheintragung von 1908) mit „astrologicis plagen“ und der Entwicklung vom Stern-Glauben zur Stern-Kunde nachgehen. Der schlichte Ausstellungsort und die auf Schwarzweiß reduzierten Reproduktionen, die heute den mit Originalen verwöhnten Museumsbesucher etwas enttäuschen, dämpfen jedoch den ursprünglich wohl großartigen Eindruck ein wenig. Barbara Schindler
Bis zum 27.3., Zeiss-Großplanetarium, Prenzlauer Allee 80, Prenzlauer Berg.
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