Sanssouci: Vorschlag
■ Steve Lacy solo im Kulturhaus Peter Edel
Seine Kompositionen sind Widmungen für: John Carter, Miles, Slominsky, Monk, um nur einige zu nennen, die in seinem Notebook 91-93 erwähnt sind. Wie war das damals, als er John Coltrane traf? Eigentlich traf Coltrane ihn, als Lacy mit Jimmy Giuffre in einem New Yorker Club spielte – 1960. Er war im Publikum und hörte Lacys Sopransaxophon. Trane, so Lacy, hatte das Tenorsaxophon technisch ausgenutzt. Er wollte höhere Töne, und das Sopran war die Lösung. Im Laufe der Jahre seien sie sich dann immer wieder begegnet.
Lacys Augen beginnen zu glänzen, eine irre Zeit damals. Malcolm X, die Gewalt, die Panther, LSD, die Musik, die sich so weit entfernt hatte, nicht mehr sing- und tanzbar war, revolutionär und isoliert zugleich, der ästhetische Kriegszustand – die Geschichte müsse noch geschrieben werden, sagt er. Vieles hat er in seinen Notebooks festgehalten. Oral History in Notenschrift, mit Widmungen und kleinen Fotos versehen. 1953 hätte ihm das schon Cecil Taylor, in dessen Band er die folgenden sechs Jahre spielte, geraten – es gehe nicht nur darum, auf der Bühne zu stehen und zu spielen, sondern zu arbeiten, sich und die Musik zu entwickeln. Cecil habe ihn entdeckt, ihm die Richtung gezeigt und ihm all das beigebracht, was man wissen muß über das Jazzbusiness, die Politik, die Menschen, die Kunst.
Aber Ende der sechziger Jahre hätte er einfach keinen Nerv mehr gehabt, in New York zu bleiben. So wurde Lacy ein Expatriate – ein Amerikaner in Paris. Es brauchte dann zwanzig Jahre, bis der alljährliche Pollsieger in der Sparte Sopransaxophon von downbeat mit einer Coverstory gewürdigt wurde. Lacy sagt, daß die Verwendung von Worten die grundlegende Charakteristik seiner Musik sei. „Es können drei Worte, Wortfetzen, eine Überschrift oder ein ganzes Gedicht sein, die mich faszinieren. Diese Worte gehen mir vielleicht jahrelang im Kopf herum, durch ständiges Wiederholen bekommen sie eine eigene Reife. Wir nennen das ,Mulling it over‘, so wie den Alterungsprozeß beim Wein. Die Frage ist doch, warum Jazzsongs nicht genauso interessant sein können wie die Lieder von Schubert, musikalisch und literarisch. Song und Tanz sind für mich die beiden Pole der Musik, die zusammengehören. Ich möchte erleben, daß eines Tages auch zu meiner Musik getanzt wird.“ Christian Broecking
Heute, 21 Uhr, Kulturhaus „Peter Edel“, Berliner Allee 125, Weißensee.
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